Kampf um die Herrschaft über die Minen

KONGO Neuer Überfall nahe der Stadt Walikale – wieder greifen weder Blauhelmtruppen noch Armee ein

GOMA taz | Das Flugzeug landete gerade auf einer Sandpiste im ostkongolesischen Dschungel, als die Rebellen angriffen. In der kleinen Privatmaschine saßen drei US-amerikanische Ärzte, ein georgischer Arzt sowie zwei kongolesische Mitarbeiter der US-Hilfsorganisation International Medical Corps. Sie waren auf dem Weg nach Kilambo, einem Dorf nahe der Stadt Walikale in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu.

Die Ärzte wollten Frauen behandeln, Opfer der gezielten Bestrafungsaktion der ruandischen Hutu-Rebellen der FDLR, die vor vier Wochen rund um Walikale über 242 Frauen und Kinder vergewaltigt hatten (die taz berichtete).

Die vier Ärzte konnten während des Angriffs in den Dschungel flüchten. Sie wurden später von indischen Blauhelmen gerettet. Am selben Morgen hatten die bewaffneten Männer in Kilambo bereits ein anderes Flugzeug beschossen: eine Privatmaschine der kongolesischen Fluglinie African Air Service Commuter. Der ukrainische Pilot sowie sein kongolesischer Co-Pilot wurden in den Wald verschleppt. Der Co-Pilot konnte später fliehen. Die Rebellen kaperten rund zwei Tonnen Mineralien aus dem Frachtraum des Flugzeuges. Vor wenigen Wochen wurde bei einem ähnlichen Überfall außerhalb von Walikale bereits ein indischer Pilot von Rebellen als Geisel genommen.

Die bewaffneten Angreifer waren nach ersten Informationen Kämpfer der lokalen Mai-Mai-Gruppe „Tcheka“ in Allianz mit FDLR-Rebellen, die nahe Walikale ihr Hauptquartier haben. Ein ehemaliger Angestellter der kongolesischen Minen-Firma MPC, der unter dem Spitznamen Tcheka bekannt ist, hatte vor wenigen Jahren eine eigene Miliz mit mittlerweile einigen hundert Mann gegründet, um die Minen-Gebiete rund um die Stadt Walikale auszubeuten.

Es scheint, als hätten die Milizen in Walikale einen Pakt geschlossen, unter Duldung oder in Allianz mit der Armee Walikale zurückzuerobern. Die Gegend gilt als das reichste Minengebiet in Nord-Kivu. „In dieser Gegend dreht sich derzeit alles darum, wer die Minen und die Transportwege kontrolliert“, sagt ein UN-Experte für Mineralienhandel, der anonym bleiben will.

Wie bereits bei den Massenvergewaltigungen vor vier Wochen, so griffen die UN-Truppen auch beim neuen Überfall nicht ein. Nur wenige Kilometer von der Landepiste in Kilambo sind 80 indische Blauhelme sowie tausende kongolesische Soldaten stationiert.

Dabei hatte UN-Sprecher Madnodje Mounoubai gerade am Tag des Angriffs verkündet, die Blauhelme hätten unter anderem in Walikale eine Operation gestartet, um die Zivilbevölkerung zu schützen.

SIMONE SCHLINDWEIN