Leuchtturm brennt wieder

Wenn Jürgen Rüttgers, Jürgen Flimm, David Byrne und der Schwager von Madonna an einem Ort sind: Die RuhrTriennale wird in Bochums Jahrhunderthalle mit einem feuchtfröhlichen Fest eröffnet

VON PETER ORTMANN

Kultur ist nicht nur Lebensmittel, Wirtschaftsfaktor und regionales Marketing. „Leben in der Zukunft hat viel mit kultureller, nationaler Vielfalt zu tun, Kultur ist Teil der Medizin.“ Das sagte bei der Eröffnung der fünften RuhrTriennale-Saison Dietrich Grönemeyer, praktischer Arzt und Bruder von Herbert, Lehrer an der Universität Witten-Herdecke und Entwickler mikrotherapeutischer Geräte. Wie man Karten für das Mega-Festival an der Ruhr auf Rezept bekommt, dies sagte er natürlich nicht.

Vor der Bochumer Jahrhunderthalle wimmelten währenddessen rund 20.000 Menschen über den frisch gekürten „Peter Paul Rubens-Platz“, immer auf der Suche nach kostenloser Klein-Kultur und leichtprozentigem Nachschub aus „Auerbachs Keller“. Wandelten bei Nieselregen durch den neuen Barock-Hain aus 150 Pappeln, den Kulturstaatsminister Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) und Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) mit Jürgen Flimm eben erst eröffnet hatten, oder hörten im „Meisterbüro“ Johano Strasser, Präsident des deutschen P.E.N.-Zentrums, bei der Elitenbeschimpfung zu. „Das haben die alles nur für die Triennale angepflanzt.“ Zwei ältere Damen nestelten unter ihren Schirmen an der hochmodernen Minidigihandycam und wollten das phallische Grünzeug wenigstens mal ablichten. „Ist nicht wahr, oder?“, sagte die andere. Die beiden wussten nicht, dass Ex-NRW-Kulturminister Michael Vesper (Grüne) die Pappeln nach dem Event – zur Not auch angekettet – mit seiner Gesundheit verteidigen wird.

Drinnen in der Claudio Monteverdi-Halle – jeder theatralische Raum hatte an diesem Jubeltag einen barocken Namen – war es bereits richtig voll. Talk mit Doppel-Jürgen. Jürgen Eins – der Triennale-Intendant Flimm im lockeren Gespräch mit Jürgen Zwei, NRW-Ministerpräsident Rüttgers als selbst ernannter „indirekter Kulturminister“ („wenn ich Zeit habe“). Rüttgers sei ein alter Fan der RuhrTriennale, sagte Flimm, „das konnte er damals nur nicht so laut sagen“. Was haben sie denn im letzten Jahr gesehen, Herr Rüttgers? Kurzes Stammeln, dann fiel dem Ministerpräsidenten wenigstens das Fußball-Oratorium ein. Er sei schließlich 1.FC Köln Fan. „Mein Verein, deshalb brauche ich auch eigentlich nie was dazu sagen“. Lacher gab das in Bochum nicht, das Publikum schien sich nicht für Lederbälle zu interessieren.

Sein Programm für die aktuelle Spielzeit ist auch eher punktuell. Rüttgers geht in diesem Jahr, passend zur neuen Haltung der deutschen Christdemokraten zu den „Soldaten“. Eine Oper in vier Akten von Bernd Alois Zimmermann. Mit fahrender Zuschauertribüne und einem Heer an Statisten. „Kunst und Kultur ist eben das, was uns zusammenhält“, sagte der indirekte Kulturminister und die schafften auch neue Arbeitsplätze. Das sei nicht hoch genug einzuschätzen. Dann fiel ihm noch die Kulturhauptstadt 2010 ein und die neue Landesinitiative bei der Musikinstrument-Ausbildung in der Schule. „Wer das will, soll da mal mitmachen“, sagte der „Geige-Geschädigte“. In Südamerika habe man auch allen Jugendlichen auf der Straße ein Instrument in die Hand gedrückt und die hätten jetzt ganz neue Orchester. „Was die in Venezuela vorgemacht haben, wollen wir jetzt auf NRW übertragen“, sagte Rüttgers, hinter sich den knallroten Barock-Samtvorhang.

Spät am Abend standen dann noch „Talking Heads“-Head David Byrne, Madonna-Schwager Greg Cohen und die Duisburger Philharmoniker auf der Bühne. „Ohne das Kammerorchester hätten wir Herrn Byrne nicht locken können“, sagte Triennale-Chefdramaturg Thomas Wördehoff. Der Schotte spielte ein wunderbar arrangiertes Konzert, den alten Heads-Klassiker „Psycho Killer“ inklusive, da half auch Greg Cohen gerne mit. Zum Abschluss „America is Waiting“. Auf „unsere“ RuhrTriennale können die lange warten.