Hertha träumt sich euphorisch

Lust auf mehr Angriff: Nach dem furiosen 4:0-Sieg der Berliner gegen Hannover 96 herrscht bei Trainer und Manager beste Jubelstimmung. Vor allem die Nachwuchsspieler werden gefeiert. Nur verstellt das den Blick auf einige Schwächen

VON JOHANNES KOPP

Die WM ist längst vorüber, aber Jürgen Klinsmanns Worte sind in aller Munde. „Man hat gesehen, dass wir offensiv spielen und Spaß am Fußball haben wollten“, sagte Falko Götz, der Trainer von Hertha BSC Berlin. Und Manager Dieter Hoeneß stellte beifällig fest: „Wir haben heute mit Leidenschaft gespielt.“ Nach dem furiosen 4:0-Sieg gegen Hannover 96 herrscht bei den Verantwortlichen größte Zufriedenheit.

„Leidenschaft, Spaß und Offensivgeist“, das waren Schlüsselworte, die der frühere Bundestrainer Klinsmann seiner Arbeit voranstellte. Diesen Tugenden eifert nun auch die Hertha nach. Von einer anhaltenden WM-Euphorie ging man im Olympiastadion auch bei den Zuschauern aus. Bereits eine Stunde vor Spielbeginn wurden die Fans vor den Toren des Stadions über Lautsprecher aufgefordert: „Nutzen Sie die günstige Einlasssituation.“ Gedränge gab es allerdings nie. Das Olympiastadion war mit 37.000 Zuschauern gerade einmal zur Hälfte gefüllt.

Die Fans jubelten lautstark, als der 19-jährige Patrick Ebert sein erstes Bundesligator zum 3:0 erzielte. Wie bei der deutschen Nationalelf ist man bei Hertha auf die jungen Spieler besonders stolz. Mitte vergangener Woche feierte man mit Malik Fathi noch einen Mann aus dem eigenen Nachwuchs als neuen Nationalspieler. Nun sollte Ebert in den Mittelpunkt rücken.

Doch der Wirbel um die Jungen verstellt etwas den Blick auf die Wirklichkeit. Herthas Startelf gegen Hannover hatte ein Durchschnittsalter von über 28 Jahren. Die ganz jungen Spieler sind überwiegend noch Bankhüter, die auf ihre Einwechslung hoffen. In der Partie gegen Hannover prägten die erfahrenen Profis Yildiray Bastürk (27), Marco Pantelic (27) und Gilberto (30) das Berliner Spiel. Dieses kam jedoch erst in Schwung, als Pantelic in der 20. Minute das Führungstor erzielte. Hannover versuchte zwar von da an, den Gegner mehr unter Druck zu setzen, doch die Berliner konterten von Mal zu Mal geschickter. Und die Bälle kamen vorne präzise an.

Stürmer Christian Giménez, dessen Einstand mit großer Spannung erwartet wurde, war nur selten Adressat solcher Zuspiele. Ins Kombinationsspiel wurde er kaum eingebunden. Der gut gelaunte Falko Götz bewertete die Leistung von Giménez dennoch äußerst wohlwollend, indem er seine läuferischen Qualitäten hervorhob: „Er hat sich gut bewegt und für Pantelic Räume geschaffen.“ Im Überschwang des Kantersieges erklärte Götz gar: „Ich glaube, dass wir gerade im Sturm gut besetzt sind.“ Vor dem Torreigen gegen Hannover hatte die Offensive zuletzt nur wenig Verheißungsvolles zustande gebracht: In fünf Pflichtspielen gelangen Hertha nur zwei Tore.

Gegen Hannover war das Toreschießen jedoch auch nicht allzu schwer. Nach dem Platzverweis von Michael Tarnat (50. Minute) bemühten sich die Niedersachsen mehr schlecht als recht um Schadensbegrenzung. Am Ende konnten sie froh sein, wie Trainer Peter Neururer zugab, dass Torhüter Robert Enke Schlimmeres verhindert hatte.

Bei Hertha fängt indes schon das Träumen an. Die Gedanken von Dieter Hoeneß richten sich schon auf das nächste Wochenende. „Es wäre erfreulich, wenn wir in Hamburg ein gutes Ergebnis erzielen“, sagte er. Denn es folgt nach der Partie eine zweiwöchige Spielpause. Hoeneß spekuliert darauf, dass sich in diesem Zeitraum der gute Eindruck von der Hertha im Bewusstsein der Berliner festsetzen könnte. Und dann? Dann könnte sich hier „etwas richtig Positives“ entwickeln“, sagt Hoeneß.