fernsehen für tote omas von RALF SOTSCHECK
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So viele schöne Fernsehsender, und keiner schaut hin. Großbritanniens BBC, die seit 1936 sendet, beklagte vor Kurzem die niedrigste Einschaltquote zur Hauptsendezeit: Nur 11,9 Prozent wollten eine Quasselshow mit Davina McCall sehen. Vorbei sind die Zeiten, als 22,75 Millionen Menschen 1995 gebannt die „Panorama“-Sendung einschalteten, um den intimen Geständnissen von Lady Diana zu lauschen.

Dem unabhängigen Sender ITV geht es nicht besser. Ihm sind im Vergleich zum Vorjahr 8 Prozent der Zuschauer abhanden gekommen, die Werbeeinnahmen sanken um 50 Millionen Pfund. Der Brite sitzt unterdessen am Computer, und zwar durchschnittlich 164 Minuten täglich, während er nur noch 148 Minuten fernsieht.

Dabei entgehen ihm solche Perlen wie die „Antiques Roadshow“, die seit einem Vierteljahrhundert jeden Sonntagabend ausgestrahlt wird. Es gibt kaum eine Sendung, die mehr nach Verwesung riecht, weil darin nur Tote-Oma-Antiquitäten vorkommen, die sich kein normaler Mensch unter 90 in die Wohnung stellen würde.

„Stellen sie sich das Schlafzimmer einer verstorbenen alten Dame vor“, schrieb eine Zeitung gehässig. „Es ist angefüllt mit dunkelbraunen Möbeln und deprimierenden Gemälden viktorianischer Amateure, in der Ecke ein Schaukelstuhl, auf dem Bett ein Steiff-Teddybär. Auf dem Regal über dem Kamin liegt ein Elefantentöter aus Mahagoni und ein Brief von Beatrix Potter. Entweder sitzt unten Norman Bates, oder Sie haben die ‚Antiques Roadshow‘ eingeschaltet.“

Die versnobte Sendung, die Verachtung für alles Moderne ausströmt, wird jedes Mal aus einem anderen Winkel des Vereinigten Königreichs übertragen, damit die Verwandten der verstorbenen alten Ladys den geerbten Plunder ins provisorische Studio tragen können – in der Hoffnung, dass sich darunter irgendetwas befindet, das vielleicht doch nicht in die Mülltonne gehört. Wenn die ebenso antiken Experten, meist längst pensionierte Antiquitätenhändler mit steifem Kragen und Fliege, einem Gegenstand bescheinigen, dass er ein Stück Sozialgeschichte sei, bei dem man unmöglich über den finanziellen Wert sprechen könne, sieht man dem enttäuschten Eigentümer an, dass er genau darüber gern gesprochen hätte. Meistens lügt er dann, dass er sich von dem guten Stück ohnehin nie trennen würde.

Die „Antiques Roadshow“ hat sogar eine eigene Internetseite, was ziemlich absurd ist. Es wäre das gleiche, wenn sich ein Fahrradclub eine Tankstelle zulegte. Wer sich für die auf der Seite vorgestellten vergammelten Teddybären und verbeulten Teekessel interessiert, hat garantiert keinen Internetzugang. Die Behauptung des Guardian, dass die BBC den Experten und dem Publikum Gehhilfen und Rollstühle für die Dauer der Sendung leiht, wurde vom Sender allerdings dementiert. In wenigen Jahren steht die „Antique Roadshow“ ohne Publikum da, denn dann wird das Analogsignal abgeschaltet. Und das fossile Zielpublikum verfügt laut einer Untersuchung nun mal lediglich über Analogfernseher. Vielleicht können die Leute ja zur letzten Sendung diese Fernseher und die Betamax-Videorecorder ins Studio bringen und vom Experten schätzen lassen.