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: Pulverisierte Innenverteidigung verschiebt Nuancierung

Der HSV muss seine sportlichen Ziele korrigieren, nachdem der Club Khalid Boulahrouz an den FC Chelsea verloren hat

Geduld heißt womöglich jene Tugend, die Dietmar Beiersdorfer, dem Hamburger Sportdirektor, am ehesten zu Eigen ist. Er kann warten. Monate, ja sogar Jahre. Manchmal erspäht seine Scouting-Abteilung einen Spieler, und wenn es dann nicht läuft bei dessen Arbeitgeber, dann ist der Didi zur Stelle und wedelt mit einem Vertrag und dem Versprechen, in Hamburg eine gute Zeit zu verbringen. So haben sie Rafael van der Vaart, den Niederländer, nach Hamburg gelockt, einen Weltstar im Wartestand, dem es bei Ajax Amsterdam nicht mehr sonderlich gut erging. Auch mit Thimothée Atouba, dem Außenverteidiger aus Kamerun, lief das Spielchen ähnlich blendend. Er etablierte sich neben Philipp Lahm als bester linker Außenläufer der Liga.

Nun aber wird Atouba wohl Monate wegen einer verschleppten Adduktorenverletzung ausfallen. Arthur Boka vom französischen Erstligaabsteiger Straßburg, bei der WM einer der auffälligsten im Team der Elfenbeinküste, soll ihn ersetzen. Als Fürsprecher fungiert Guy Demel, Bokas Kollege in der Nationalmannschaft. Der kann nur Gutes aus Hamburg berichten, vor allem, dass es sich um ein Team mit Perspektive handelt.

Das Binnenklima mag stimmen beim HSV, der in Thomas Doll einen eifrigen Animateur gefunden hat. Doch das verspricht noch lange keine Immunität gegen Attacken von außen. Zunächst waren es die Bayern, die sich für kolportierte 10 Millionen Euro die Dienste Daniel van Buytens sicherten, für den kurzerhand van Buytens belgischer Landsmann Vincent Kompany verpflichtet wurde. Und jetzt der FC Chelsea, der den Niederländer Khalid Boulahrouz aus seinem Vertrag herauskaufen wird – Ablösesumme je nach Nachrichtenlage zwischen 10 und 15 Millionen Euro – womit die beste Innenverteidigung der Bundesliga pulverisiert ist und sich der HSV vorläufig aus dem Wettbewerb der Bayern und Bremer verabschieden dürfte. Beiersdorfers Ankündigung, die Innenverteidigung nochmals trotz des Transfers von Kompany zu verstärken, bekommt angesichts des Wechsel von Boularusz einen anderen Geschmack. Man wird handeln müssen, und der ausgespähte Kandidat, Jean-Alain Boumsong von Newcastle United, dürfte nicht wie Demel zum Sondertarif wechseln.

Am Dienstag geht es in Pamplona um die Qualifikation für die Champions League. Das Hinspiel (0:0) vermochte Hamburg trotz drückender Überlegenheit nicht zu gewinnen. Ungeachtet eines Weiterkommens dürften die wirtschaftlichen Sorgen durch den Transfer des Niederländers erst einmal gelindert sein. Die sportliche Perspektive indes dürfte sich verschieben. Selbst das Ziel internationaler Wettbewerb erhält eine andere Nuancierung, die wohl Uefa-Cup lautet.

STEFAN OSTERHAUS