Bio-Seife aus Babelsberg

Die neue Sat.1-Telenovela „Schmetterlinge im Bauch“ ist eine pastelltönende Berlin-Fotolovestory. Im Zentrum des Geschehens: ein Bio-Supermarkt. Ab heute montags bis freitags auf Sat.1, 18.45 Uhr

VON CLEMENS NIEDENTHAL

Ortstermin in Potsdam-Babelsberg, dieser herausgeputzten Legende. Kleine Cafés, kleine Läden, kleine Häuschen, die meisten mit nur ein oder zwei Etagen unter dem lieblich aufgesetzten Satteldach. Babelsberg, die Studiostadt der Ufa- und Defa-Filme, scheint längst selbst zum Kulissendorf geworden. Eine pittoreske Blase vor den Toren Berlins.

Über Kopfsteinpflaster weiter zu den Parkstudios. Revuefilme sind dort in den Zwanziger- und Dreißigerjahren entstanden. Im Zentrum des Studios ein tiefes Bassin, in dem damals Badenixen nach Choreografien schwammen, beobachtet von den Augen der Unterwasserkameras. Heute simuliert die Grube einen Berliner Hinterhof. Heute ist eine Telenovela an die Stelle der Revuefilme getreten. In den Parkstudios entstehen dieser Tage die täglichen 25 Minuten „Schmetterlinge im Bauch“, gleichsam Fortsetzung wie Vorläufer des immer noch Quoten garantierenden „Verliebt in Berlin“.

Berlin, Berlin

Fortsetzung, weil „SiB“ an den Erfolg von „ViB“ anschließen soll, wenngleich auch „Verliebt in Berlin“ nach dem großen Finale am 1. September in die zweite Runde gehen wird. Lisa Plenskes Halbbruder Bruno – eine Art Felix Krull für Menschen, die keinen blassen Schimmer davon haben, wer Felix Krull eigentlich ist – wird dann das Inventar der Serie erweitern. Und Vorläufer, weil „Schmetterlinge im Bauch“ das Quotenhoch des Senders auf 18.45 Uhr vorverlegen soll. Sozusagen als Vorgruppe von „Verliebt in Berlin“.

Wahrscheinlich wird sogar ein ähnliches, wenn auch nicht so zahlreiches Publikum in der ersten Reihe sitzen. Dafür sorgt schon eine (wenig) überraschende Ähnlichkeit der verhandelten Orte. Wo in „Verliebt in Berlin“ ein Kiosk für die Erdung der Serie in kleinbürgerlichen Lebensrealitäten steht, inszeniert „Schmetterlinge in Bauch“ einen mittelständischen Bio-Supermarkt als Umschlagplatz alltäglicher Erfahrungen. Symbolisiert dort die Modefirma „Kerima“ die Sehnsucht nach dem Mondänen, ist es hier die exklusive Charterfluglinie „Starline“. Und hatte es Lisa Plenske aus der brandenburgischen Fiktivgemeinde Göberitz in den Sehnsuchtsort Berlin verschlagen, kommt die „SiB“-Heldin Nelly Heidmann (Alissa Jung) aus Bielefeld angebraust. Dort hatte sie gerade ihr Bräutigam mit ihrer besten Freundin betrogen. Grund genug, um in eine neue Stadt und eine neue Telenovela aufzubrechen.

Am Ende der heutigen Pilotfolge wird sie es sich in einer Altbauwohnung provisorisch eingerichtet haben. Mit Fenster zum Hof, was fortan immerhin ein reizvolles Spiel mit den Einblicken und dem Verborgenen erlaubt. Denn genau gegenüber wohnt Nils (Raphael Vogt), Möbeldesigner und zugleich ganz privater Sehnsuchtsort von Nelly Heidmann. Wenngleich dies beide, auch so eine Grundkonstante der Telenovela, gefühlte 120 Folgen lang nicht bemerken werden. Gute Freunde wollen und werden sie zunächst nur sein. Ungefähr so wie in diesem Klaus-Lage-Schlager.

Um jenen Innenhof, der in seiner handwerklich vorzüglichen Kulissenhaftigkeit fast an das Hollywoodkino der Fünfzigerjahre erinnert, werden sich nun Folge für Folge die Figuren und die Konstellationen drapieren. Die pubertierenden Schwestern von Nils, die „Schmetterlinge im Bauch“ auch für Tokyo-Hotel-Fans begehrenswert machen sollen. Oder der gealterte Bioladen-Öko, in dessen Figur noch Spurenelemente der klassischen ZDF-Vorabendserien mitschwingen, an deren Stelle die Sat.1-Telenovelas getreten sind.

Weswegen selbst die ARD gerade eben ihre erste Vorabend-Telenovela gestartet hat: „Das Geheimnis meines Vaters“ gleicht einem Heftroman, wo „Schmetterlinge im Bauch“ eher an eine pastelltönende Fotolovestory erinnert.

In den Arm genommen

Längst sind also Telenovelas das Scharnierprogramm, das die Menschen nach den Mühen des Tages in die Arme nimmt. In der ersten Werbepause schnell noch ein Brot geschmiert oder die Spaghetti abgegossen und dann wieder auf dem Sofa gemütlich gemacht. Nicht schlimm, wenn man mal zwei Minuten oder eine ganze Folge verpasst haben sollte. Auch „Schmetterlinge im Bauch“ lässt sich Zeit. Und das für ein Zielpublikum, dass doch angeblich mal auf die beschleunigten Schnittfrequenzen des Videoclips konditioniert war.