die taz vor zehn jahren zur „FAZ“ und einem verkorksten Kommentar zum KPD-Verbot
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Wirrwarr der Zeitläufte? „Neue Unübersichtlichkeit? – Die taz verteidigt die rechtsstaatlichen Institutionen der Bundesrepublik, die FAZ greift sie an. Denn anders als einen Frontalangriff auf den Rechtsstaat kann nicht qualifiziert werden, was der Kommentator „fr“ in der gestrigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Papier gebracht hat. Ein Interview Jutta Limbachs für die taz, in dem sie vorsichtig die Vernunft des Verbotsurteils gegen die KPD 1956 in Zweifel zog, hat „fr“ in rasende Wut versetzt. Für „fr“ steht fest: Die KPD hat zusammen mit den Nationalsozialisten die Weimarer Republik zerstört. Man beachte die Reihenfolge: Aus der richtigen Aussage, die KPD trifft ein gerüttelt Maß an Mitschuld an der Machtergreifung der Nazis, wird die monströse Geschichtsfälschung, die KPD hätte zusammen mit den Nazis der Demokratie den Garaus gemacht.

Mit einem solchen Weltbild ausgerüstet, kann „fr“ gar nicht anders, als die Legalisierung der DKP im Jahre 1969 zu bedauern. Dadurch seien der „streitbaren Demokratie“ die Zähne gezogen worden. Noch schwerer wiegt seiner Meinung nach, daß es verabsäumt wurde, nach der Revolution des November 89 die SED zu verbieten. Wer bitte, hätte hier urteilen sollen? Ein Tribunal der Bürgerrechtler? Die Volkskammer vor oder nach den Wahlen des 18. März? Oder das Bundesverfassungsgericht in lockerer Ausdehnung seiner Zuständigkeit? Es lebe die „unvollendete“ Revolution! Warum fordert „fr“ eigentlich nicht das Verbot der PDS? Weil sie seiner Meinung nach heute zu stark ist. Eine merkwürdige Kapitulation vor Zweckmäßigkeitserwägungen. Wenn die PDS verfassungswidrig ist, dann los mit dem Verbotsantrag. Mehr Mut, „fr“!

Christian Semler, 21. 8. 1996