„Kabila ist kalt, unsere Kultur ist warm“

Kongos Präsident Joseph Kabila hat den Sieg im ersten Wahlgang verfehlt, da sein wichtigster Widersacher charismatischer und glaubwürdiger ist, meint Georges Tshionza, prominenter Vertreter der Zivilgesellschaft im Kongo

taz: Vor sechs Monaten galt Jean-Pierre Bemba, der einstige MLC-Rebellenführer und Vizepräsident im Kongo, noch als politisch tot. Jetzt kommt er gegen Präsident Joseph Kabila in die Stichwahl. Wie konnte das passieren?

Georges Tshionza: Bemba hat als einziger Kandidat im ganzen Land Wahlkampf gemacht, er ist überallhin geflogen. Kabila hat sich vor allem auf den Ostkongo konzentriert. Zum anderen hat der eigentlich populärste Oppositionsführer, Etienne Tshisekedi, nicht mehr explizit zum Wahlboykott aufgerufen, seine Anhänger sind Bemba wählen gegangen. Dass Tshisekedi indirekt Bemba unterstützt, hat diesen für viele Kongolesen respektabel gemacht. Zum Dritten gibt es eine große Unzufriedenheit mit Kabila in den Bergbaugebieten, wo ausländische Firmen Konzessionsverträge erhalten haben und die Bevölkerung sich enteignet fühlt. Und man darf den psychologischen Aspekt nicht vergessen: Kabila ist kein Volkstribun.

Gab es auch positive Gründe, für Bemba zu stimmennicht nur Protest gegen Kabila?

Kabilas größter Feind ist Bembas Charisma. Die Kongolesen sind an einen starken Führer gewöhnt. Gegenüber ausländischen Staatschefs erscheint Kabila wie ein kleiner Junge. Bemba kann anders auftreten. Während seiner Abschlusskundgebung sprach Bemba von Armut. Er sagte: Ihr braucht Schulen und zu essen. Das ist konkret. Kabila sagt: Ich bin der Friedensbringer. Das ist abstrakt. Er sagt: Ich baue eine Autobahn – damit können die Leute nichts anfangen, sie haben noch nie eine Autobahn gesehen. Wenn Bemba sagt: Ich sorge dafür, dass ihr Trinkwasser habt – das verstehen sie.

Hat auch Bembas nationalistischer Diskursich bin Kongolese, Kabila ist Ausländereine Rolle gespielt?

Wenig. Wenn es darum ginge, dass Kabila angeblich Ruander ist und daher nicht wählbar, hätte er nicht gerade im Osten die meisten Stimmen gekriegt, wo die Ablehnung Ruandas besonders groß ist. Die Leute haben sich vielmehr gefragt, wer von beiden der fähigere Politiker ist.

Kabila und Bemba waren die letzten Jahre gemeinsam an der Regierung. Keiner von ihnen steht für etwas Neues.

Richtig, die Leute stehen nun vor einer Wahl, die sie so nicht gewollt haben. Bei uns sagt man: Das haben wir schon mal gegessen. Ein Zukunftsprojekt gibt es in dieser Konstellation nicht. Bemba könnte aber im Falle einer Stichwahl mehr Verbündete um sich scharen und gewinnen.

Was können unabhängige zivilgesellschaftliche Kräfte in dieser Lage tun?

Druck auf Bemba ausüben, damit er sich mit vernünftigen Leuten umgibt und nicht versucht ist, sich so autoritär und willkürlich zu geben wie einst Laurent-Désiré Kabila (Kongos Präsident 1997 bis 2001). Anders als dieser ist Bemba immerhin wirtschaftsliberal. Auch die Zivilgesellschaft selbst muss sich allerdings erneuern. Sie ist in Klientelismus verfallen. Eine ganz neue Generation muss heran.

Es gibt Beobachter, die sagen, Kabila werde wohl die neue demokratische Verfassung und die Gewaltenteilung besser respektieren als der eher diktatorische Bemba und sei daher die bessere Wahl.

Kabila respektiert die Gewaltenteilung, weil er ein schwacher Führer ist und Problemen aus dem Weg geht. Aber das ist nicht das, was sich die Leute wünschen. Die Leute wollen einen Führer mit Autorität und Kompetenz, der nicht stiehlt.

Und da sollen sie ausgerechnet Bemba wählen, der in so viele schmutzige Geschäfte verwickelt gewesen ist?

Die Leute wissen das. Aber sie hoffen, dass er sich beinflussen lässt. Auch da liegt ein wichtiger Unterschied zwischen Bemba und Kabila. Kabila ist kalt und fern, man traut ihm nicht. Unsere Kultur ist sehr warm – wenn jemand kalt ist, weckt das Misstrauen. Kabila versteht die kongolesische Kultur nicht wirklich. Bemba ist anders. Er redet direkt mit den Leuten, er geht in seinen Reden auf Zwischenrufe ein, man hat das Gefühl, er hört zu. Er sagt: Gebt mir 5 Jahre. Wenn ich Mist baue, schmeißt mich wieder raus! Das mögen die Leute.

INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON