LESERINNENBRIEFE
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Sie verstehen sich gut. Keine Kluft

■ betr.: „Die Helikopter-Eltern von Neukölln“, sonntaz vom 22./23. 2. 14

Ich wundere mich über diesen Artikel. Hier werden zwei starke Persönlichkeiten porträtiert und wird ein Konflikt dargestellt, als würden sie für die komplexe Realität an der Karlsgarten-Schule (KGS) stehen. Sehr kurz gegriffen aus meiner Sicht. Wir sind in der Kiezschulinititative und unser Sohn lernt seit Sommer an der Schule – und wir sind sehr zufrieden. Wir wussten, dass es eine richtig gute Schule ist und wir sie nicht erst dazu machen müssen. Mit dem jahrgangsübergreifenden Lernen, Inklusion und engagierten Lehrern, die Kinder individuell fördern, war die KGS von Anfang an unsere erste Wahl. Ich weiß, dass die Autorin auch kurz mit Eltern gesprochen hat, die den Alltag in der KGS ganz anders erleben. Schade, dass das nicht in den Artikel eingeflossen ist.

Bei uns in der Klasse gibt es ein gutes Miteinander der Kinder, aber auch der Eltern. Unser Sohn ist sozial integriert und hat einen guten Freund gewonnen – und wir haben uns mit den kurdischen Eltern angefreundet. Keine Kluft. Er sitzt neben der Tochter unserer türkisch-polnischen Nachbarn. Sie verstehen sich gut. Keine Kluft. Im Hort spielt er mit vielen verschiedenen Kindern, ohne sich dafür zu interessieren, welchen kulturellen Hintergrund sie haben. Keine Kluft. Zudem weiß ich, dass die beste Schulfreundin der beschriebenen Ella Deutsch-Libanesin ist.

Ich will nicht behaupten, dass es den beschriebenen Konflikt nicht gibt, aber er prägt nicht das gesamte Schulleben. Wir werden uns natürlich weiter damit auseinandersetzen. Aber es gibt eben auch viele positive Erfahrungen. Gewundert habe ich mich auch über den Textkasten „Werben um die Deutschen“, in dem ausgerechnet das Konzept der porträtierten Schule nicht dargestellt wird: Maximal drei befreundete Kinder können gemeinsam in eine Klasse gewünscht werden. So bleibt eine gute Mischung. Mit der Kiezschulini sprechen wir alle Eltern an, die sich fragen, ob sie ihr Kind auf die staatliche Schule hier geben können oder lieber auf eine Privatschule oder in ein anderes Viertel schicken sollten. Wir wollen dazu anregen, sich die Schule erst mal anzuschauen. ANNEKE ULRICH, Berlin-Neukölln

„Na, wieder eingenässt?“

■ betr.: „Bimmeln in der Hose“, taz vom 21. 2. 14

„Warum aber die segensreiche Wirkung der Klingelhose nur auf den nässenden Nachwuchs beschränken?“, fragt ihr: Wir sind doch alle umgeben von lauter, auch erwachsenen, Zeitgenossen in Klingelhosen. Baby und Familie verrät doch nur, was uns bisher unverständlich blieb. Oder konntet ihr euch je erklären, dass das Klingeln in den Hosen jeweils völlig sinnleere, hektische und möglichst laute „Telefonate“ nach sich zog. Alles Ablenkung! Wenn’s also beim Sitznachbarn in der Bahn in der Hose klingelt, könnte ein mitfühlend eingeworfenes „Na, wieder eingenässt?“ den ganzen Stress von ihm nehmen und wir könnten so zum Erfolg der Klingelhosen beitragen. Ich fürchte, auch die von euch vorgeschlagenen Anwendungen der Klingelhose sind längst in Gebrauch, bewirken aber das Gegenteil. Sowohl Talkshowgäste als auch Börsianer versuchen krampfhaft, den Warnton zu übertönen. ERWIN SCHELLENBERGER, Bönnigheim

Ästhetische Diktatur der Spannung

■ betr.: „Die Bewahrerin“, „Angestellte Selbstreflexion“, taz vom 10. 2. 14 und 30. 1. 14

Wer die (Roman-)Literatur beobachtet und bewertet, muss sich immer klar darüber sein, dass er lediglich ein Marktgeschehen beobachtet, das von Renditeerwartungen geprägt ist, die wiederum stark das Ästhetische beeinflussen. Wo wirtschaftlicher Erfolg das einzige Kriterium für Verlage ist, muss der Literaturmarkt immer mainstreamiger werden. Die Masse des Publikums ist nie Avantgarde. Darum haben wir – auch im „linken“ Publikum – eine ästhetische Diktatur der Spannung. Alles muss „spannend“ sein, getrost bis zur völligen Kopflosigkeit. Für „Aufmerksamkeit“, „Betrachtung“ und „Reflexion“ bleibt in Rasanz keine Zeit. Und schon wieder: der gehetzte Mensch. Diesmal als Rezipient und vor allem: als Konsument.

Die hohe Emotionalisierung heutiger Literatur hat Gründe. An diesen Mechanismus passen sich Autorinnen und Autoren gerne an, wenn Verlage mit Reichweiten und Marketingmaßnahmen den großen Erfolg und Reibach versprechen. Zuwendung ist das Futter der Narzissten. Da „zwingt“ niemand, das funktioniert ganz von allein. Wir brauchen in den Zeitungen Seiten, auf denen Literaten und andere Künstler laufende Projekte und ihre Entwicklung vorstellen, und zwar gerade solche Vorhaben, die es auf „dem Markt“ schwer haben – statt ausschließlich Erschienenem mit einer „Besprechung“ den Erfolg zu sichern. Das wäre: spannend. UWE BRITTEN, Eisenach

Evangelikal, nicht evangelisch

■ betr.: „Ist Maischberger schuld?“, sonntaz vom 15. 2. 14

Für Peter Unfried ist es, wie er schreibt, wichtig zu wissen, wie die Evangelische Kirche tickt. Deshalb fordert er, dass Hartmut Steeb weiter „als Vertreter der Evangelischen Kirche“ in Talkshows darf. Das ist viel verlangt, denn Hartmut Steeb spricht zwar für rund 1,3 Millionen Menschen, die in der evangelikalen „Evangelischen Allianz“ organisiert sind, aber mitnichten für die Evangelische Kirche. Die Evangelische Kirche in Deutschland besteht aus rund 20 Gliedkirchen mit teils sehr unterschiedlichen Positionen zu gesellschaftlichen Fragen und einer schon immer und derzeit besonders lebhaften Diskussion zwischen konservativen und liberalen Gruppen. DANIEL GOTZEN, Albstadt