KOMMENTAR VON HEIKE HAARHOFF ÜBER DIE STANDESRECHTLICHEN GRENZEN BEIM ÄRZTLICH ASSISTIERTEN SUIZID
: Der Tod im Föderalismus

Was in Bayern toleriert wird, kann einen Arzt in Hamburg den Job kosten

Niemand darf wegen seiner Heimat benachteiligt oder bevorzugt werden. So heißt es im Grundgesetz. Nur im Sterben gilt dieser Grundsatz offenbar nicht: Da hängt es ausgerechnet vom Wohnort ab, ob ein Arzt seinem schwerstkranken, verzweifelten und um Sterbehilfe bittenden Patienten bei dessen Selbsttötung helfen darf oder nicht. Denn der ärztlich assistierte Suizid, wie die Beihilfe zur Selbsttötung im Medizinerdeutsch heißt, ist in Deutschland derzeit vor allem Sache des Berufsrechts.

Und dieses ärztliche Standesrecht funktioniert ähnlich absurd wie das föderale Bildungssystem hierzulande: 17 Landesärztekammern entscheiden autonom darüber, welche Verhaltensverbote oder -gebote sie in ihren Satzungen verankern – und welche nicht. Was in Bayern toleriert wird, kann einen Arzt in Hamburg den Job kosten.

Nun könnte man die Ansicht vertreten, dass Ärzte sich eh für eine eigene Spezies halten und ihr Berufsrecht als weitere Groteske dieses Berufstands abtun. Zumal die Beihilfe zur Selbsttötung nach dem Strafrecht – derzeit jedenfalls – nicht verboten ist. Doch der Mangel an Verbindlichkeit in einem für Menschen – im Wortsinn – existenziellen Bereich, in dem ihre Abhängigkeit von Ärzten besonders deutlich wird, ist eben keine Lächerlichkeit. Er ist eine Zumutung.

In der Praxis führen die unterschiedlichen Regelungen zu Situationen, die mit der viel beschworenen Würde am Lebensende wenig gemein haben: Ein Patient mit Sterbewunsch aus Thüringen etwa kann sich gezwungen sehen, bis nach Bayern zu fahren, sich dort einem wildfremden Arzt anzuvertrauen und zu hoffen, dass dieser bereit ist, ihm ein todbringendes Medikament zu überlassen. Sein Hausarzt in Thüringen riskiert dagegen seine Zulassung, wenn er sich entschließt, ihm zu helfen.

In der Frage, wie viel Sterbehilfe zulässig sein soll, wie weit ärztliche Verantwortung reicht und wo Selbstbestimmung und Patientenrechte enden, ist die Ärzteschaft so gespalten wie die Bevölkerung auch und die Politiker sowieso. Kein Arzt, das ist spätestens seit der Debatte über den Schwangerschaftsabbruch Konsens, kann gezwungen werden, einem Menschen zu helfen, Leben zu beenden. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Sich gegenseitig per Berufsordnung ärztliche Gewissensentscheidungen zu verbieten, ist eine Haltung, die der Ethik freier Berufe widerspricht.