Messerangriff auf Exchef

HONGKONG Entlassener chinakritischer „Ming Pao“-Chefredakteur wird von Unbekannten schwer verletzt

In der chinesischen Sonderregion Hongkong ist am Mittwoch morgen der frühere Chefredakteur einer chinakritschen Tageszeitung mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt worden. Kevin Lau Chun-to ging zu seinem Auto, als ein Maskierter mehrfach auf ihn einstach und dann unerkannt auf einem Motorrad floh, das ein Komplize steuerte. Lau erlitt schwere Verletzungen, war aber nach Angaben des behandelnden Krankenhauses außer Lebensgefahr.

Lau war bis Januar Chefredakteur der einflussreichen liberalen chinesischsprachigen Tageszeitung Ming Pao. Das Blatt hatte sich unter seiner Führung einen unabhängigen pekingkritischen Kurs bewahrt. Doch im Januar ersetzte der Eigentümer, der malaysisch-chinesische Holz- und Medienzar Tiong Hiew King, Lau durch einen pekingfreundlichen Journalisten. Laus Entmachtung führte zu Protesten der Redakteure des Blatts, die sich zu 90 Prozent mit ihm solidarisch erklärten. Auch die Demokratiebewegung war alarmiert, passt es für sie doch zu einem Trend, dass pekingkritische Journalisten in Hongkongs Medien an Einfluss verlieren.

China hatte bei der Rückgabe Hongkongs 1997 der Stadt für die nächsten 50 Jahre Autonomie zugesagt. Nach dem Motto „ein Land – zwei Systeme“ sollte die Stadt sich selbst regieren und seine Justiz und Medien unabhängig bleiben.

Erst am Sonntag hatten 6.000 Menschen aus Anlass von Laus Absetzung gegen Pekings Medieneinfluss demonstriert. Neben dem Phänomen der Selbstzensur berichten Journalisten von direkter Einflussnahme durch chinesische Regierungsvertreter und ihre Handlanger. Auch mit Anzeigenboykotten wird versucht, Medien zu beeinflussen. Im Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Hongkong von Rang 18 im Jahr 2002 auf 61 in diesem Jahr abgestiegen. SVEN HANSEN