Gaststudenten besser sozial einbetten

Austauschdienst und Studentenwerke warnen vor Generalverdacht gegen arabische Studenten. Appell an Studierende, sich Kommilitonen zu öffnen

BERLIN taz ■ Sie sind unauffällig, freundlich, und vielleicht ein wenig zurückgezogen: ausländische Studenten, die für ihr Studium nach Deutschland kommen. Nach dem Kofferbomber aus einem Kieler Studentenwohnheim geraten gerade die arabischen Kommilitonen ins Gerede, potenzielle Attentäter zu sein. „Der Verdächtige durfte kostenlos bei uns studieren“, schrieb die Bild-Zeitung gestern, „im Wohnheim plante er die Terror-Bombe.“

Die Rheinische Post forderte die Behörden auf, „streng zu prüfen, ob ein Antragsteller zum Extremismus neigt“ und die Bedingungen für Studenten zu verschärfen. Der mutmaßliche Hersteller einer scharfen Bombe, die in einem Regionalzug in Nordrhein-Westfalen gefunden wurde, lebte in einem Studentenwohnheim in Kiel. Einige Beteiligte an den Twin-Tower-Attentaten in New York im Jahr 2001 und ihre Helfer hatten an Hamburger Hochschulen studiert.

„Wenn wir die arabischen Studierenden wie Terroristen behandelten, würden wir einen schweren Fehler begehen“, warnte dagegen Generalsekretär Christian Bode vom DAAD. Der Akademische Austauschdienst holt Ingenieure und Hochschulabsolventen aus aller Welt, auch aus den arabischen Ländern, nach Deutschland. Bode sagte, der DAAD schaue sich seine Stipendiaten bereits jetzt genau an und tue dies auch weiter. Wichtig sei es aber, nach der Auswahl mehr soziale Integration herzustellen, als dies bisher der Fall ist.

„Ich appelliere an alle Kommilitonen und an die Hochschulen“, sagte Bode der taz, „sich für ausländische Studierende mehr zu öffnen.“ Aus Befragungen weiß der DAAD, dass selbst die privilegierten Stipendiaten des Austauschdienstes die schwierige Kontaktaufnahme zu deutschen Studierenden bemängelten. Ein Viertel von ihnen empfindet es als Manko, dass sie sich nicht angenommen fühlten.

In Deutschland werden ausländische Studierende gebraucht und daher gezielt angeworben. Von 2000 bis 2004 ist die Zahl der Studenten aus dem Ausland um fast 58 Prozent gestiegen, was die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern begrüßen. Im Jahr 2004 studierten über 10.000 Kommilitonen aus Nordafrika und Nahost, fast genauso viele kamen aus dem Mittleren Osten. Ihre Situation ist nicht einfacher geworden.

Ingo Meyer von der Technischen Uni Berlin etwa berichtet, dass es inzwischen „eine stärkere Sicherheitsprüfung“ bei der Vergabe von Jobs und Praktikumsstellen gibt. Verständlich einerseits, andererseits schmälert das die Chancen in manchen Feldern massiv. Besonders im Luft- und Raumfahrbereich sei es für arabische Studenten schwierig, einen Praktikums- oder sogar einen Arbeitsplatz zu bekommen. Auch Elvira Wilberg, Sprecherin des International Office der TU Harburg, will ein Bauchgefühl festgestellt haben, aus dem heraus arabische Studis von Arbeitgebern benachteiligt würden.

Was jetzt? Für Studierende aus Nahost die Tore dichtmachen? Die Hochschulen der Beobachtung durch Kameras und bewaffneten Scheriffs aussetzen? Das ist der falsche Weg, warnen auch die Deutschen Studentenwerke, in deren Wohnheimen 80.000 ausländische Studierende leben. „Wir kommen weder mit einem Überwachungsapparat noch mit einer Gesinnungsprüfung weiter“, warnt der Sprecher des Studentenwerks Stefan Grob. Wichtiger sei es, aktiv auf die ausländischen Studierenden zuzugehen. Das Studentenwerk hat bereits ein Tutorenprogramm für die Wohnheime und macht dort interkulturelle Angebote. Christian Bode vom DAAD sagte nun, diese Programme sollten verstärkt und ausgebaut werden. „Wir müssen unsere Gäste vor Ort in ein besseres soziales Umfeld einbetten.“CHRISTIAN FÜLLER
SOPHIE HAARHAUS