„Nicht menschlich und nicht muslimisch“

Kieler Muslime reagieren gelassen auf Festnahme von „Kofferbomber“ Youssef Mohamad. Anders als nach 9/11 fürchten sie keinen Generalverdacht

KIEL taz ■ Die islamische Gemeinde von Kiel gibt sich entspannt. Die Nachricht, dass ein in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt lebender junger Muslim einer der beiden „Kofferbomber“ war, beunruhigt die dortigen Muslime nicht. „Keinem von uns ist das Gesicht dieses Mannes bekannt“, sagt ein Sprecher der Arabischen Gemeinde. Dort fürchtet man auch nicht, nunmehr selbst ins Visier der polizeilichen Ermittlungen zu geraten: „Die Polizei hat in den vergangenen Jahren gelernt, dass solche Leute nicht in Moscheen und Vereinen aufzuspüren sind.“

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war die Stimmung unter den norddeutschen Muslimen noch eine andere. Als damals bekannt wurde, dass die Attentäter aus Hamburg kamen, fürchtete man die öffentliche Gleichsetzung von Muslimen mit Terroristen. Die islamischen Vereine vor allem in Hamburg sahen sich in die Defensive gedrängt. In der Folge appellierten sie wiederholt an die übrige Bevölkerung, keinen Generalverdacht gegen Muslime zuzulassen. Immer wieder sahen sie sich veranlasst, die Friedfertigkeit des Korans zu betonen und sich von allem zu distanzieren, was ihre Religion in Verruf zu bringen drohte. Doch auch hier hat sich inzwischen einiges getan. „Dass es Menschen gibt, die den Koran missbrauchen, ist eine Realität, mit der auch wir leben müssen“, sagt Mustafa Yoldas vom Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura). Er könne „die Deutschen verstehen, die nicht mehr wissen, welchem Muslim sie vertrauen können und wem nicht“. Doch genauso ginge es den hier lebenden Mitgliedern der islamischen Gemeinde auch: „Wir sind genauso hilflos.“

Obwohl Yoldas glaubt, dass der erneute Anschlagsversuch sicherheitspolitisch „natürlich nicht ohne Folgen bleiben wird“, befürchtet er keine verstärkte Polizeiüberwachung von Gotteshäusern oder islamischen Vereinen. Denn weder der Todesflieger vom 11. September 2001, Mohammed Atta, noch der Kieler Bombenleger Youssef Mohamad seien an einem bekannten Treffpunkt von Muslimen aktiv gewesen – und das wisse auch die Polizei. „Solche Leute treffen sich privat in kleinen Gruppen“, sagt Yoldas. „Moscheen sind die letzten Orte, an denen man sie dingfest machen kann.“

Yilmaz Ahmed ist Imam der islamischen Gemeinschaft in Kiel. „Was dieser Mann getan haben soll, ist nicht menschlich und nicht muslimisch“, sagt er über Youssef Mohamad. Dass jemand eine solche Tat begehe, sei „traurig“, für die islamische Gemeinschaft aber kein Grund zu weitergehenden Sorgen. Ein Sprecher des Gebetsraums im Kieler Stadtteil Gaarden, den der 21-jährige Libanese gelegentlich genutzt haben soll, sagt, dass die Verhaftung unter den dortigen Gläubigen kaum Thema sei. „Warum sollte sie?“, fragt er zurück: „Was wir über diese Tat denken, hat nichts damit zu tun, dass wir Muslime sind“.

ELKE SPANNER