STEFAN REINECKE ÜBER DIE CAUSA ERNST UND DEN ZUSTAND DER LINKSPARTEI
: Hallo, jemand zu Hause?

Na endlich: Klaus Ernst verzichtet auf 1.900 Euro Fraktionszulage. Man darf hoffen, dass die medial grotesk aufgepumpte Affäre um seine Bezüge damit beendet ist. Allerdings: Warum hat Ernst dies nicht schon vor sechs Wochen getan und damit der Linkspartei ihr qualvolles Sommertheater erspart? Es muss die Partei beunruhigen, dass dem Großmeister politischer Inszenierung Lafontaine ein Parteichef gefolgt ist, dem dafür offenbar jedes Gespür fehlt.

Der prekäre Zustand der Linkspartei zeigt sich in Ernsts Hilflosigkeit – und Gysis Omnipräsenz. Gysi, der kein Parteiamt mehr hat, plaudert im Fernsehen aus, was der Parteivorstand am nächsten Tag beschließen soll. Doch in seiner Partei nimmt man solche groben Verstöße gegen alle Umgangsformen mit einem Achselzucken zur Kenntnis. Denn wenn es eng wird, wird eben nur Gysi den Laden zusammenhalten können.

Diese Irritationen an der Spitze sind nur die sichtbaren Zeichen einer tief liegenden Verunsicherung. Die Linkspartei war so erfolgreich, weil sie berechtigten Sozialprotest formulierte und gleichzeitig im Osten als regierungstaugliche, seriöse Kraft auftrat. Dieses Erfolgsmodell ist, was absehbar war, in der Krise. Die SPD steuert in der Opposition um, siehe Rente mit 67, der Ruf nach Rückzug aus Afghanistan ist nur eine Zeitfrage. Dem Lafontaine-Flügel gehen damit die zündenden Protestthemen aus.

Die Frage, die nicht abrupt, sondern schleichend auftaucht, lautet: Welche verbindliche, eigene Idee hat die Linkspartei? Denn die Pragmatiker in der Linkspartei wirken oft wie linke Sozialdemokraten, nur nicht so ermüdet. Und auch die Reformer haben keine einleuchtende Antwort, wie man sich gegen eine nach links verschobenen SPD behauptet.

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