Zum Schutz der Tiere

Auch der Pferdesport hat mit einem Dopingproblem zu kämpfen. Schmerzmittel und Beruhigungsmedikamente werden den Tieren nicht selten zu früh und zu lange verabreicht

AUS AACHEN CHRISTIANE MITATSELIS

So viele Pferde waren in Aachen wohl seit der Zeit Karl des Großen (748–814) nicht mehr stationiert. Während der zwei Wochen der Weltreiterspiele (20. August bis 3. September) werden insgesamt 900 Pferde und 800 Reiter in der Printenstadt erwartet. In sieben Disziplinen kämpfen Rosse und Reiter um WM-Medaillen. Organisationschef Michael Mronz wird nicht müde, die WM der Reitersleute enthusiastisch als das „zweigrößte Sportereignis in Deutschland nach der Fußball-WM“ zu preisen.

Besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen schlussfolgerte die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) – und bat alle deutschen WM-Pferde erstmals vorab zu einem Dopingtest. „Die Ergebnisse kommen nach und nach“, berichtet Michael Düe, Leitender Veterinär der FN, „die Dressurpferde sind auf jeden Fall negativ getestet.“ Hintergrund des Massentests: Der Verband will auf keinen Fall ein erneutes Desaster erleben wie im Olympiajahr 2004.

„Es wäre sehr peinlich, wenn so etwas wieder geschehen würde“, meinte Düe. In Athen wurde der deutschen Springermannschaft die Goldmedaille aberkannt, da Ludger Beerbaums Goldfever positiv auf die verbotene Substanz Betamethason, ein Kortikoid, getestet worden war. Beerbaum gab an, sein Pferd mit Einverständnis des Mannschaftstierarztes wegen einer Verletzung an der Fessel mit einer Salbe behandelt zu haben. Dann gab es denn Fall von Vielseitigkeitsreiterin Bettina Hoy. Im Urin ihres Pferd Ringwood Cockatoo wurde Benadryl gefunden. Der Stoff sei in einer Lotion enthalten gewesen, die sie zur Behandlung einer Schwellung in der Sattellage benutzt habe, gab Hoy an. Natürlich ebenfalls in Absprache mit dem Pferde-Doc.

Die beiden olympischen Fälle sind paradigmatisch für die Doping-Problematik im Pferdesport. Es gibt eine Regel, die strenger ist als im Humansport: Die Tiere dürfen im Wettkampf – bis auf ein paar Ausnahmen – keine körperfremden Substanzen im Körper haben. Dahinter steht der Tierschutzgedanke. Ein Pferd kann nicht entscheiden, ob es beispielsweise trotz Schmerzen starten will. „Das Wohl des Pferdes darf auf keinem Fall sportlichen oder kommerziellen Interessen untergeordnet werden“, lautet der Grundsatz des Internationalen Reiterverbandes (FEI). Werden Pferde positiv getestet, bringen die Reiter nun aber oft gern an, ihr Pferd sei normal behandelt worden, weil es krank war. Das sei bei Menschen doch auch erlaubt. Sind die Pferde-Doping-Gesetze also zu streng? „Nein“, sagt Chef-Veterinär Düe, „man kann Pferde behandeln. Sie dürfen dann nur nicht gleich an einem Wettkampf teilnehmen. Denn sie brauchen Zeit zur Regeneration.“

Außerdem ist gedopt nicht gleich gedopt. Der deutsche Verband unterscheidet bei positiv getesteten Pferden seit 1994 zwischen normaler Medikation und leistungssteigernden Mitteln. In beiden Fällen werden die Pferde vom Wettkampf disqualifiziert – allerdings variiert das Strafmaß. Die FEI hat ihr Reglement in diesem Jahr dem deutschen Vorbild folgend geändert. In knapp 70 Prozent der Dopingfälle gehe es um Schmerzmittel, ansonsten oft um Beruhigungssubstanzen. „Natürlich gibt es immer Grenzfälle“, sagt Düe.

Gerade die Schmerzmittel-Verabreichung illustriert den Grenzbereich zwischen Doping und notwendiger Behandlung: Wird ein Tier wegen einer Prellung am Bein mit Schmerzmitteln behandelt, so stellt sich die Frage: Ging es nur darum, das Pferd schnellst möglich wieder fit zu machen? Problematisch ist zudem: Tierärzte wissen oft nicht genau, wie lange ein Präparat im Körper eines Pferdes nachgewiesen werden kann. Heißt: Im schlimmsten Fall wird ein Pferd positiv getestet, auch wenn die Behandlung aus Tierschutzsicht lange genug zurücklag. „Da gibt es sicher Forschungsbedarf“, sagt Tierärztin Ina Schenk vom Institut für Biochemie an der Sporthochschule Köln. In Aachen müssen alle Siegerpferde zum Dopingtest. Bei den anderen Startern gibt es Stichproben.