Keine Angst vor großen Geschichten

Der Regienachwuchs zeigt sich erstaunlich erwachsen. Die mit den First Steps Awards ausgezeichneten Filme wollen nicht gefallen, sondern polarisieren

VON SUSANNE LANG

Manchmal ist es doch die Größe, an der ein Abend scheitert. Dass der, nun ja, Komödiant Bernhard Hoëcker, bekannt als Fragenlösonkel aus der Sat.1-Show „Genial Daneben“, für die Moderation der Verleihung der siebten „First Steps Awards“ am Dienstag im Berlinale Palast nur deshalb ausgewählt wurde, weil er mit seinem Körpermaß auf Augenhöhe ist mit Stefan Aust, Spiegel-Chefredakteur und Mitveranstalter, wäre eine plausible Erklärung für den uncharmanten Abend.

Wirkliche Größe macht sich anders bemerkbar, nicht in überlässigen Jeans, nicht in hemdsärmeligen Anekdoten vom Käsebrötchen-Catering, das er, Hoëcker aus seinem Auftritt bei einer Studentenfilmproduktion hassen gelernt habe. Nicht in spitzen Anmerkungen über das Eigeninteresse von Firmen wie Mercedes-Benz, die den Preis ja nur unterstützten, weil sie Autos verkaufen wollten („Läuft die A-Klasse so schlecht?“).

Immerhin leisten sich die Veranstalter, die Produktionsfirma teamworx um Nico Hoffmann, der Sender Sat.1, Mercedes-Benz und Spiegel-TV, eine unabhängige Jury, dieses Jahr unter anderem mit Regisseur Hannes Stöhr und Schauspielerin Nadja Uhl – für den mit 72.000 Euro dotierten Preis.

Die Gala wiederum darf man getrost als Höhepunkt der kontinuierlichen Nachwuchsförderung in Kooperation mit den Fernsehsendern betrachten, gewährleistet vor allem von den Organisatorinnen Andrea Hohnen und Bettina Femers. Etwas weniger Selbstdarstellung und mehr Respekt vor der Leistung der FilmemacherInnen hätte das Event demnach verdient.

Denn nicht nur die Sieger in den jeweiligen fünf Kategorien präsentierten sich mit starken Arbeiten. Auch nominierte Filme wie Matthias Luthardts „Pingpong“ etwa liefen bereits im Programm in Cannes, wo er den Drehbuchpreis gewann. Einige waren auf der diesjährigen Berlinale zu sehen, wie etwa Dietrich Brüggemanns „Neun Szenen“ oder Bülent Akincis „Der Lebensversicherer“.

Wie viel Potenzial in den diesjährigen Abschlussarbeiten der FilmhochschülerInnen steckt, bewies zuletzt ein für den Award ausdrücklich nicht berücksichtigter Film: „Das Leben der Anderen“ von Florian Henckel von Donnersmarck, der beim Deutschen Filmpreis bereits ausgiebig ausgezeichnet wurde.

Vor Größe haben jedenfalls die Jungen in der Filmbranche offensichtlich keine Scheu. Viele der handwerklich souveränen Produktionen setzen zwar weniger auf technische oder dramaturgische Experimente, sind in ihren Themen und Zugängen jedoch streitbar und polarisierend. Sie erzählen konsequent ihre Geschichten von Tod, Kinderhandel, Angst, Randfiguren und brüchigen Identitäten.

Nicht nur Regisseurin Birgit Grosskopf, die mit „Prinzessin“ in den tristen Plattenbaualltag einer prügelnden Mädchengang eintaucht, gewann dafür den Award in der Kategorie Spielfilm. Auch Bastian Günther, der „Das Ende einer Strecke“ als tödlichen Endpunkt der Beziehung zweier Paare inszeniert, wurde verdient in der Kategorie Spielfilm bis 60 Minuten ausgezeichnet.

An die Grenzen nicht nur der globalisierten Welt, sondern familiärer Sehnsüchte geht der Gewinner des Kurzfilm-Awards, Michael Dreher, mit seiner Geschichte über den florierenden Kinderhandel zwischen Marokko und Spanien: „Fair Trade“. Und selbst in der eher von Leichtigkeit geprägten Kategorie „Werbefilm“ attestierte die Jury Philip Haucke und Jens Junker ein „gutes Gespür“ für „Erzählrhythmus“, das sie im prämierten taz-Spot „Kiosk I+II“ bewiesen haben (siehe unten).

Am weitesten vorgewagt hat sich jedoch der diesjährige Gewinner in der Kategorie Dokumentarfilm: der Wiener Marcus J. Carney und seine Verarbeitung der eigenen Nazi-Familiengeschichte in „The End of the Neubacher Project“. „Eine Geschichte, die so privat zu sein scheint, dass man sie wegschließen möchte,“ lautete das Votum der Jury um Lutz Hachmeister.

„Erstaunlich erwachsen“ seien die Filme dieses Jahr, so lautete Andrea Hohnens Einschätzung. Angesichts dessen muss noch lange kein neuer Trend ausgerufen, schon gar kein neue Generationenbefindlichkeit diagnostiziert werden. Vielleicht aber färbt der Reifeprozess ja im nächsten Jahr auf die Gala ab.