Pflüger hat noch ’nen Koffer in Hannover

Die heiße Wahlkampfphase in der Hauptstadt beginnt. CDU-Herausforderer Friedbert Pflüger sieht wie der sichere Verlierer aus. Im Kampf gegen Amtsinhaber Klaus Wowereit (SPD) leistet sich der aus Hannover Zugezogene immer wieder Fehltritte

AUS BERLIN MATTHIAS LOHRE

Der Kandidat hat wirklich alles versucht. Friedbert Pflüger, der ungeliebte Neuling in Berlin, hat sein Haus in der Heimat Hannover verkauft und ein neues Eigenheim in Berlin bezogen. Er ist Mitglied bei Hertha BSC geworden, hat vor Kameras Currywürste gegessen, türkische Fußballvereine besucht und schmeichelt seiner neuen Heimat mit dem Wahlslogan „Berlin kann mehr“. Zum heutigen offiziellen Wahlkampfauftakt schickt die Union sogar die Bundeskanzlerin ins Rennen. Doch selbst Angela Merkels Schützenhilfe wird kaum etwas daran ändern können: Die Berliner verschmähen den CDU-Mann, der Klaus Wowereit am 17. September den Job des Regierenden Bürgermeisters abjagen will.

Seit einem halben Jahr versucht der 51-jährige Pflüger das scheinbar Unmögliche. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium will die CDU zurück an die Macht im Roten Rathaus bringen. Seit im Jahr 2001 die CDU-SPD-Koalition im Zuge des Berliner Bankenskandals zerbrach, lieferte sich die Union einen parteiinternen Dauerstreit. Über Monate wollte niemand die undankbare Aufgabe des Kandidaten übernehmen. Pflüger nahm die Herausforderung an.

Das Kalkül war einfach: Schneidet die CDU am Wahlabend besser ab als vor fünf Jahren, könnte der Kandidat dies als persönlichen Erfolg verbuchen. Wer könnte schon die desaströsen 23,8 Prozent des damaligen Spitzenkandidaten Frank Steffel unterbieten? Pflüger wäre der Retter der Union, könnte zurück in seinen Staatssekretärsjob – und es in fünf Jahren erneut versuchen. Doch weniger als vier Wochen vor dem Urnengang steckt die CDU nach wie vor im Umfragetal. Schuld ist auch der Kandidat, Pflüger selbst.

Der einstige Redenschreiber Richard von Weizsäckers hat in seinem ersten eigenen Wahlkampf kaum einen Fehlgriff ausgelassen. Als die Auseinandersetzung über den geplanten Bau der ersten Moschee im Berliner Osten die Anwohner aufbrachte, ergriff Pflüger Partei für die Baugegner. Dass selbst der Verfassungsschutz die Ahmadiyya-Gemeinde als friedlich einstuft, störte ihn nicht.

Seine Konkurrenten spielten ein anderes, naheliegendes Wahlkampfargument aus: Pflügers mangelnde Berlin-Verbundenheit. Nur „auf der Durchreise“ sei der „Kandidat aus Hannover“, ätzte Amtsinhaber Wowereit. Der Gescholtene zog daraufhin die Notbremse: Bei einer Wahlniederlage wolle er den Staatssekretärsposten abgeben und als Fraktionschef ins Landesparlament einziehen. Er sei, sagte er, zur Überzeugung gelangt, dass sein Berliner Engagement „den ganzen Mann“ fordere. Prompt höhnten Linkspartei und SPD, damit erkenne der CDU-Kandidat seine Niederlage vorzeitig an.

Zu Wochenbeginn offenbarte eine Umfrage: Pflüger ist der unbeliebteste Landespolitiker Berlins. Während Wowereit den Spitzenrang belegt, kommt sein Herausforderer auf den 17. und letzten Platz. Selbst 52 Prozent der CDU-Sympathisanten gaben dabei zu Protokoll, bei einer Direktwahl für Wowereit zu stimmen, nur ein Drittel für Pflüger.

„Noch ist alles drin“, wiederholt Pflüger bei öffentlichen Kundgebungen. Nach dem Ende der Schulferien hat in dieser Woche die kurze, heiße Wahlkampfphase begonnen. Jetzt darf nichts mehr schiefgehen. Doch so einfach ist das nicht. Kaum war Pflügers Bekenntnis zum Verbleib in Berlin gemeldet, zitierte die Neue Presse in Hannover ihn mit diesen Worten: „Ich habe meine Mutter in Hannover, meine künftigen Schwiegereltern und enge Freunde. Meine Heimat ist Hannover – das halte ich hoch und heilig.“ Vielleicht hätte Pflüger sein altes Haus nicht verkaufen sollen.