Deutschland fällt zurück

STATISTIK Im internationalen Vergleich landet die Bundesrepublik im hinteren Drittel. Lob für duales System in der Berufsbildung

VON ANNA LEHMANN

Die Welt der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) ist viereckig. Länder, in denen ein großer Teil der Bevölkerung hochklassige Bildungsabschlüsse hat und die ihren Vorsprung ausbauen dürften, sind im rechten oberen Quadranten zu finden. Das sind Länder wie Irland, Japan oder Korea. Deutschland liegt im unteren linken Quadranten, zusammen mit Brasilien und Mexiko. Dort sind Länder versammelt, die laut OECD „noch weiter zurückfallen werden.“

Engpass für Beschäftigung

In ihrem aktuellen Ländervergleich „Bildung auf einen Blick“ hat die OECD die Bildungsstatistiken ihrer 31 Mitgliedsländer verglichen sowie von Partnern wie Russland und Israel. Der wirtschaftsfreundliche Club hat bei diesen Vergleichen vor allem im Blick, wie viel Hochqualifizierte dem Arbeitsmarkt in Zukunft zur Verfügung stehen und wie effizient die Länder in der Produktion des benötigten Humankapitals sind.

OECD-weit ist die Zahl der Hochqualifizierten in den letzten 30 Jahre deutlich gestiegen. Im Durchschnitt gilt heute mehr als ein Drittel der 25- bis 34-Jährigen in den Industrieländern als hochqualifiziert, unter den 55- bis 64-Jährigen nur jeder Fünfte. In Deutschland gibt es hingegen kaum Unterschiede zwischen der Generation der Fast-Rentner und der Berufseinsteiger. Rund ein Viertel von ihnen hat einen Abschluss im tertiären Bereich. Dieser umfasst sowohl Hochschulen als auch Schulen für die höhere berufliche Bildung. „Angesichts der demografischen Entwicklung kann dies zu einem Engpass für Beschäftigung, Innovation und Wohlstand führen“, mahnte der Leiter des Berliner OECD-Zentrums, Heino von Meyer.

Bei den Hochschulabsolventen konnte Deutschland zwar zulegen, hier stieg die Absolventenquote seit 1995 um neun Prozentpunkte auf gegenwärtig 25 Prozent. Doch waren viele Länder noch flotter – im OECD-Mittel stieg der Anteil der Hochschulabsolventen an der Bevölkerung auf knapp 40 Prozent – und in ihrer Haushaltsplanung konsequenter: Die OECD-Länder geben durchschnittlich 5,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus, Deutschland hingegen nur 4,7 Prozent.

Wir haben ja noch das duale System der Berufsbildung, ist das geläufige Gegenargument in Deutschland. Und tatsächlich, in einem weiteren Bericht, der sich speziell der deutschen Berufsbildung widmet, ist die OECD voll des Lobes. Das duale System bereite Jugendliche erfolgreich auf den Arbeitsmarkt vor. In der Folge ist die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland mit 10 Prozent halb so hoch wie etwa in den Nachbarländern. Allerdings gibt es dort auch kein Übergangssystem, das Jugendliche auffängt, die keine Lehrstelle finden.

Dieses System sei zugleich die größte Herausforderung für Deutschland, meint die OECD. Es sei unübersichtlich, teuer und ziemlich wirkungslos. Jeder dritte Jugendliche, der nach einer regulären Berufsausbildung strebt, landet stattdessen im Übergangssystem. Deutschland müsse mehr unternehmen, um die Jugendlichen fit für eine reguläre berufliche Ausbildung zu machen, so das Fazit.

Kritisch sieht die OECD auch den Übergang vom Beruf in die Uni. 2008 fand rund 1 Prozent der Nichtabiturienten, die sich für eine Berufsausbildung entschieden, später den Weg in Universitäten oder Fachhochschulen. Deutschland solle sich darauf konzentrieren, Studienberechtigten aus einkommensschwachen Familien und Studierwilligen mit beruflichen Qualifikationen den Weg in das Studium zu ebnen, raten die OECD-Strategen. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sieht Deutschland auf einem guten Weg. Sie verwies auf die Bildungslotsen, die Risikoschüler künftig schon in der siebten Klassen an die Hand nehmen sollen, und das Nationale Stipendienprogramm, welches das Kabinett am Mittwoch verabschieden will. Besonders begabte Studierende sollen so finanziell gefördert werden. Schavan sagte, die OECD-Studie sei ein Ansporn, diesen Kurs nicht zu verlassen.

Bildung S.18