Täter im Libanon gesucht

Zweiter Kofferbomber entwischt. Die Sicherheitsbehörden stehen trotz Razzien noch am Anfang. Festgenommener früh als fanatisch aufgefallen

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Die Bundesanwaltschaft hat auch gegen den zweiten mutmaßlichen Bahn-Bombenleger einen Haftbefehl erlassen. Jihad H. werde wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des vielfachen versuchten Mordes und der versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion gesucht, teilte sie gestern mit. Bei der Suche nach dem flüchtigen Mann richtet sich der Blick der Ermittler in den Libanon. Der Chef des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke bestätigte gestern, die beiden Verdächtigen seien nach den Anschlägen ins Ausland geflüchtet: „Wir wissen, dass der Festgenommene und der zweite Täter zusammengearbeitet haben, dass sie gemeinsam diese Tat geplant haben und sich nach dem 31. Juli abgesetzt haben müssen, mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Libanon“, sagte Ziercke der Deutschen Welle. Das BKA präsentierte gestern ein neues Fahndungsplakat des Gesuchten.

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung reisten die Libanesen noch am Abend der Tat über Istanbul in den Nahen Osten. Warum Youssef Mohamad E. M. nach Deutschland zurückkehrte, ist bisher nicht bekannt.

Zwei am Dienstag festgenommene Kontaktpersonen des Flüchtigen kamen laut Bundesanwaltschaft wieder frei.

Bei ihrer Suche nach möglichen Hintermännern stehen die Ermittler trotz aufwändiger Razzien in mehreren Städten bisher offensichtlich noch am Anfang. Man müsse analysieren „ob es hier um eine Netzwerk geht, ob es Unterstützer gibt oder ob es sich tatsächlich um radikalisierte Einzeltäter handelt“, sagte Ziercke gestern.

Der festgenommene Tatverdächtige aus Kiel war seinen Dozenten offenbar in den vergangenen Monaten als radikalislamisch aufgefallen. „Er war total radikal und aggressiv, auch im Auftreten“, sagte ein Mitschüler der Zeit. Anlässlich einer Diskussion über die in der islamischen Welt umstrittenen Mohammed-Karikaturen habe er Gewalt gegen die Urheber der Zeichnungen als legitim bezeichnet. „Auf die Frage der Lehrerin, ob jemand meine, man dürfe auf diese Veröffentlichungen mit Terror reagieren, sagte Youssef ganz klar ja. Gewalt sei gerechtfertigt, wenn der Prophet beleidigt werde“, so der Mitschüler.

Die Innenminister von Bund und Ländern vereinbarten gestern eine Sondersitzung in der kommenden Woche. Sie wollen über politische Konsequenzen aus den fehlgeschlagenen Attentaten beraten. Die Bundesregierung kündigte an, das Internet stärker überwachen zu lassen. Auf Anregung von Innenminister Wolfgang Schäuble soll mehr Geld bereitgestellt werden, um Experten mit den nötigen Sprachkenntnissen einzustellen.

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