Aufstand mit Zuckerhäubchen

INDIEPOP Liebliche Melancholie, tiefe Verzweiflung, verschrobener Lebenswille. Morgen Abend stellen die kanadischen Indiepopper „Stars“ ihr neues Album „The Five Ghosts“ vor

Herzen brechen und in Aufruhr versetzen, dass kann der fünfte Aufguss nicht mehr

VON ROBERT MATTHIES

Selten war das Begehren nach Aufstand so zuckersüß serviert worden wie vor sechs Jahren vom kanadischen Indiepop-Quintett „Stars“. Und selten war unmissverständlicher auf dessen letzte Konsequenz verwiesen worden: Wenn es nichts mehr anzuzünden gibt, muss man sich eben selbst in Brand setzen, haben die mit dem Torontoer Indieklüngel um die Indie-Supergroup „Broken Social Scene“ fest verbandelten Wahl-Montrealer auf ihrem dritten Album „Set Yourself on Fire“ klargestellt, mit dem sie 2004 auch in Europa den Durchbruch geschafft haben.

Als Brandbeschleuniger fungierten bei „Stars“ dabei bittersüße Melancholie, tiefste Verzweiflung und ihr Aufeinanderprallen mit ihrem scheinbaren Gegenüber: hektischem, enthusiastischem und verschrobenem Lebenswillen. Neben blubbernden Synthesizern, Gitarren, die sich ein wenig mehr trauten, und immer überraschenden Rhythmuswechseln waren es dabei vor allem Amy Millans und Torquil Campbells gleichermaßen engelsgleiche, sich perfekt inszenierte Duette liefernde Stimmen, die den „Stars“-typischen Charme ausmachten. „Set Yourself On Fire“ war damit einer der Indie-Hits von 2005.

Daran hat sich zwei Jahre später auf dem Nachfolger „In Our Bedroom After The War“ nichts grundlegend geändert: eine charmante, heimatlose Platte, voller 70er-Disco-eskem, Kopfstimmen, Einsamen, die sich nicht treffen und Melodien, die sich schwer vergessen lassen. Und dazwischen das nimmermüde Begehren nach Krawall im Zuckerkleid: „Oh, how could anyone not want to rip it all apart?“

Auch auf dem im Juni erschienenen „The Five Ghosts“ sind die Zutaten im Wesentlichen dieselben geblieben. Deutlicher als sonst wird die zuckrig-melancholische Mischung diesmal mit Elektronischem und vor allem Synthies direkt aus den 80ern angerichtet. Alles in allem aber bleibt vom neuen Album ein schaler Nachgeschmack. Nicht, dass irgendetwas an „The Five Ghosts“ wirklich stören würde. Aber Herzen brechen und in Aufruhr versetzen, dass kann der fünfte Aufguss nicht mehr, dafür klingen die Mittdreißiger hier zu müde.

Bleibt zu hoffen, dass Millan, Campbell und Co. mit „The Five Ghosts“ nur eine Pause eingelegt haben. Und sich morgen Abend im Knust darauf besinnen, was ihnen vor fünf Jahren die Liebe fast jeden Indieherzes beschert hat: das Begehren nach Aufstand mit Zucker zu servieren.

■ Fr, 10. 9., 21 Uhr, Knust, Neuer Kamp 30