Autorin in vielen Rollen

Das Straßenmagazin Hinz&Kunzt veranstaltet zum zehnten Mal seinen alljährlichen Schreibwettbewerb. Das Thema: Große Freiheit. In der Jury sitzt die Ex-Kommissarin, Ex-Schauspielerin und Krimiautorin Nicole Drawer

Den Mörder kennt auch Nicole Drawer erst am Ende der Geschichte. Die Handlung ist für sie offen, bis sie die letzte Seite eines Buches geschrieben hat. Zwei Krimis hat die 41-Jährige bereits veröffentlicht, der dritte ist soeben fertig gestellt, und der Ablauf war jedes Mal gleich: Drawer hat ein Konzept für die Geschichte geschrieben und dieses nach wenigen Seiten dann doch komplett umgeworfen. „Ich lerne meine Figuren auch erst beim Schreiben kennen und erfahre, was sie als nächstes tun“, sagt sie.

Nicole Drawer ist eine klassische Schriftstellerin und eine untypische zugleich. Schon als kleines Mädchen hat sie ihre Erlebnisse und Gedanken in Fantasiegeschichten gepackt und aufgeschrieben. Insoweit erscheint es nur folgerichtig, dass sie sich irgendwann an einen eigenen Roman gesetzt hat. Dennoch war der Weg zur Schriftstellerei alles andere als direkt: Ehe sie ihr erstes Buch schrieb, arbeitete Drawer fast zwanzig Jahre lang als Kommissarin bei der Polizei.

Dort hatte sie zwar nicht mit Morden zu tun, sondern war im Dezernat für Wirtschaftskriminalität. Aber natürlich kennt sie sich aus mit der Ermittlertätigkeit. Umfängliche Recherchen über die Polizeiarbeit, die Laien für einen Krimi zunächst anstellen müssten, bleiben ihr daher erspart.

Ihr erstes Buch veröffentlichte sie 2003. Da war sie noch im Dienst. Dann ging plötzlich alles sehr schnell: Die schreibende Kommissarin wurde in einer Talkshow vorgestellt, die sah ein Produzent des Fernsehsenders Sat 1, und ehe sich Nicole Drawer versah, war sie in München als Hauptdarstellerin der Krimiserie „K 11“ engagiert. Ein Jahr arbeitete sie als Schauspielerin. Schluss machte sie anschließend nicht nur mit der Schauspielerei, sondern auch mit ihrer Vergangenheit bei der Polizei.

Kommissarin, Schauspielerin, Schriftstellerin – die Eckpunkte ihres Lebens hören sich nach einer reinen Erfolgsgeschichte an. Doch so erzählt sie ihr Leben nicht. Sie berichtet von Problemen, die ihr die Arbeit bei der Polizei bereitete. Von gesundheitlichen Folgen, die sie irgendwann nicht mehr übergehen konnte.

Heute ist sie froh, einfach Zeit zum Schreiben zu haben. Zukunftspläne hat sie nicht. Außer vielleicht, sagt sie und lacht, „das Drehbuch für die erste gute deutsche Actionserie zu schreiben“. ELKE SPANNER

Einsendeschluss beim Hinz&Kunzt-Schreibwettbewerb zum Thema „Große Freiheit“ ist der 1. September. Geschichten mit maximal 6.000 Zeichen müssen in Hamburg spielen und gehen an die Adresse redaktion@hinzundkunzt.de. Mehr Informationen unter www.hinzundkunzt.de oder☎ 22 92 93 56