Fettleibigkeit wird ausgewertet

EU-Kommission vergibt Millionen-Auftrag ans Uni-Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin

Das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) hat den Zuschlag bekommen. Es darf das Europa-Projekt IDEFICS koordinieren. Der launige Name bezeichnet die größte europäische Studie zu Adipositas. Auf den Zuschlag sei man „schon besonders stolz“, so Wolfgang Ahrens, der die Studie leitet. „Es war auch nicht ganz einfach, ihn zu bekommen.“ Der jetzige sei bereits der zweite Anlauf des BIPS auf diesem Gebiet gewesen.

Adipositas ist fraglos ein schwer herleitbares Fremdwort. Trotzdem gehört der Fachausdruck für Fettleibigkeit, den vor zehn Jahren noch kaum jemand buchstabieren konnte, mittlerweile zum Wortschatz der Alltagssprache – weil das dazugehörige Phänomen nach Einschätzung der Experten längst die Züge einer Epidemie angenommen hat: Heute leidet, Schätzungen zufolge, jedes achte Kind in Deutschland an Übergewicht. Die Folgen: chronische Erkrankungen, Diabetes, Gallensteine, Fettleber, Nierenprobleme, Plattfüße. Und die Gelenke sind natürlich auch betroffen.

Das Problem brenne den Gesundheitspolitikern auf den Nägeln, so Ahrens, es gebe bereits etliche Präventionsprogramme, „aber nur sehr wenig davon wird evaluiert“. Genau darum aber gehe es in der Studie. Geplant sei, die Daten von 17.000 Kindern in elf europäischen Ländern zu erfassen und auszuwerten. Die EU fördert IDEFICS mit 13 Millionen Euro, weitere Gelder müssen die beteiligten Institutionen einwerben.

Als Ursachen für die gegenwärtige Adipositas-Epidemie gelten laut BIPS ungesunde Ernährung, mangelnde Bewegung und Veränderungen des sozialen Umfelds in den vergangenen Jahrzehnten. Hinzu kommen genetische Ursachen: „Wir sind alle so ausgestattet“, so Ahrens, „dass wir unter den entsprechenden Bedingungen Reserven speichern“. Allerdings seien die Umweltfaktoren offensichtlich bedeutsamer, „sonst hätten wir ja früher auch vergleichbare Probleme gehabt“. Auch geprüft wird indes, wie groß der Einfluss von Geschmackspräferenzen und -empfindungen auf die Entwicklung von Übergewicht ist – und wie man diese Erkenntnisse für die Vorsorge nutzen kann. „Es hat ja keinen Sinn, den Kindern zu sagen, jetzt esst mal alle brav Karotten – und die mögen das nicht.“ Die Lust am Essen dürfe nicht durch eine „Sauermiene“ zerstört werden.Auch deshalb habe man sich für den launigen Namen entschieden: Das erste Adipositas-Projekt, mit dem man sich bei der EU beworben hatte, handelte von Obesity – also Übergewicht – bei Erwachsenen, und trug nahe liegend den Titel „OBELICS“.

Eine „Fun-Komponente“ sollen laut Ahrens auch die Präventionsprogramme haben, die Bestandteil der Studie sind. Sie werden in Schulen und Kindergärten angeboten – und ihre Ergebnisse selbstverständlich wieder in den Datenpool von IDEFICS einfließen. Zum Auftakt des Forschungs-Projekts treffen sich Anfang September über 50 Forscher aus den elf Teilnehmer-Ländern zu einem Workshop in Bremen. bes

Weitere Infos unter:www.bips.uni-bremen.de