Akzeptanz durch Volksentscheid

SOZIALDEMOKRATEN Die SPD fordert ein Plebiszit in Baden-Württemberg zum umstrittenen Bahnprojekt – und hält doch daran fest

STUTTGART taz | Die SPD sieht in einem Volksentscheid eine rechtliche Möglichkeit, den Streit über das Milliardenprojekt „Stuttgart 21“ zu schlichten. Den Weg dazu könne ein künstlicher Dissens zwischen der Landesregierung und dem Parlament freimachen. Einen entsprechenden Vorschlag stellten die Sozialdemokraten am Mittwoch in Stuttgart vor.

„Für ‚Stuttgart 21‘ zu streiten ist das eine“, sagte der baden-württembergische SPD-Chef Nils Schmid. „Das andere ist, die Bürger mitzunehmen.“ Die SPD halte das Projekt nach wie vor für sinnvoll. Das Volk solle aber in dieser zugespitzten Auseinandersetzung das letzte Wort haben, sagte Schmid.

Ein Volksentscheid sei nach Artikel 60 der Landesverfassung möglich, wenn die Regierung für ein Gesetz keine Mehrheit im Parlament findet und ein Drittel der Abgeordneten eine Volksabstimmung darüber beschließen, sagte Schmid. Dementsprechend könnte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) einen Entwurf für einen – selbst natürlich nicht gewollten – Projektausstieg vorlegen, den das Parlament, in dem CDU und FDP die Mehrheit haben, ablehnen würde. Diesen Weg hat die SPD gemeinsam mit zwei Professoren für öffentliches Recht ausgearbeitet, Joachim Wieland von der Hochschule Speyer und Georg Hermes von der Universität Frankfurt.

Ein Ergebnis könnte bis Jahresende herbeigeführt werden. „Das würde bedeuten, dass die Bauarbeiten ruhen, wenn man diesen Prozess einleitet“, sagte Baden-Württembergs SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Weiter sagte Schmiedel, die SPD sei sich sicher, „dass wir für das Projekt eine Mehrheit im Land Baden-Württemberg gewinnen werden“. Zuletzt hatte jedoch eine Forsa-Umfrage eine landesweite Mehrheit von 51 Prozent gegen „Stuttgart 21“ ermittelt. Lediglich 26 Prozent waren für das Milliardenprojekt.

CDU-Generalsekretär Thomas Strobl sagte zu dem Vorschlag der Sozialdemokraten: „Noch vor Kurzem und monatelang haben auch die Sozialdemokraten im Land gesagt, dass ‚Stuttgart 21‘ unumkehrbar ist.“ Das entlarve die jetzige Forderung nach einem Volksentscheid als windiges, durchsichtiges Manöver der SPD.

Von den Sozialdemokraten dürfte es in der Tat der Versuch sein, sich von der CDU zu distanzieren. Selbst wenn der Volksentscheid nicht zustande kommen sollte, könnten sie trotz ihrer offiziellen Haltung pro „Stuttgart 21“ auf diesen Vorstoß verweisen. In einem halben Jahr stehen Landtagswahlen an. Letzte Umfragen sahen Rot-Grün vorn. Dabei profitieren die Grünen von ihrem klaren Nein gegen das Projekt. NADINE MICHEL