Im Camp der Hoffnung

In einem Trainingslager der Vereinigung für Vertragsfußballer halten sich arbeitslose Profis fit. Nicht selten sind sie von Existenzängsten geplagt, denn die Chancen auf eine Anstellung sind gering

Das Camp der Spielergewerkschaft ist eine Art wohlfahrtsstaatliche Nische im ansonsten so kalten Fußballgeschäft

AUS KÖLN DANIEL THEWELEIT

Es ist Dienstagabend in Köln. Gleich wird der HSV in Pamplona um den Einzug in die Champions League kämpfen, während sich hier eine ganz andere Facette der Fußballwelt zeigt. Auf einem Nebenplatz am Kölner Geißbockheim bestreiten arbeitslose Fußballprofis eine Art Vorspiel gegen die U23 des Zweitligisten. Ein paar Scouts und Agenten machen sich Notizen, drücken auf ihren Handys herum und tuscheln, während die Spieler auf dem Platz, sämtlich Teilnehmer an einem Trainingscamp für vertraglose Fußballer, höchst motiviert zur Sache gehen. Enttäuschungen, geplatzte Träume und Hoffnungen laufen dort herum – andere Hoffnungen als jene, die beim HSV kursieren. Die Männer hier fragen sich, wovon ihre Familien im kommenden Jahr leben sollen.

„Ich hatte schon ein paar Anfragen, aber da war nichts dabei, wovon ich meine Familie finanzieren kann“, sagt Torhüter Sebastian Selke, früher mal beim 1. FC Köln und zuletzt beim Oberligisten Schwarz-Weiß Essen unter Vertrag. An der Seitenlinie steht Carsten Baumann, der die Gruppe als Trainer betreut. Jörg Albracht, der Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV, spielt die Rolle des Co-Trainers, tröstet Verletzte, ruft Anweisungen auf den Platz, und Ulf Baranowski, sonst PR-Manager der VDV, mimt den Masseur und läuft mit einem silbernen Koffer auf den Platz, wenn ein Spieler sich wehgetan hat. Es hat etwas Rührendes, wie sich die Vereinigung der Vertragsfußballer um ihre arbeitslosen Klienten kümmert. Als sich zehn Minuten vor Schluss ein Spieler verletzt, wechselt Trainer Baumann sich selbst ein, weil die Bank leer ist.

Später erzählt der ehemalige Profi nicht ohne Stolz, man habe es „hinbekommen, dass alle Spieler nach sechs Wochen im Camp fit sind, dass sie ohne weiteres sofort eine Verstärkung für interessierte Klubs wären“. Den Nachwuchs des 1. FC Köln haben sie auch geschlagen, mit 2:0, und dennoch läuft es diesmal nicht so gut wie in den Jahren zuvor. „Da haben wir bis zu 95 Prozent unserer Spieler untergebracht, jetzt sind wir bisher bei etwa 15 Prozent“, sagt Albracht, dessen Organisation das Camp ins Leben gerufen hat und nun jährlich neu auflegt. Derzeit sind Leute dabei wie Dame Diouf, ehemals Hannover 96, oder der frühere kamerunische Nationalspieler Jean-Yves Ngongang. Roland Benschneider, der vor einigen Tagen ein Angebot des FC Augsburg angenommen hat, war auch da, aber die meisten Teilnehmer sind wenig bekannte Leute aus der Zweiten, Dritten oder Vierten Liga.

Interessant sind diese Spieler aber dennoch auch für ambitionierte Klubs. Heiko Scholz, der Co-Trainer des MSV Duisburg, ist da und sagt, „man kann sich ja mal einen Überblick verschaffen“. Andere am Spielfeldrand, die lieber nicht in der Zeitung auftauchen wollen, meinen, der MSV suche hier durchaus sehr konkret nach Verstärkungen. „Die Jungs sind ganz gut im Futter“, sagt Scholz noch. „Wir bieten ein richtiges Trainingscamp mit Übernachtung in der Sportschule, Training von Dienstag bis Samstag, essen, reden, helfen, und auf dem Platz ist das Tempo hoch“, sagt Albracht. Vor einigen Tagen war sogar ein Berufsberater da, der hat den Fußballern Perspektiven für die Zeit nach dem Fußball aufgezeigt. Eine Umfrage von 2003 hat nämlich ergeben, dass jeder zweite Profi sich noch nicht mit seiner beruflichen Zukunft nach der Laufbahn beschäftigt hat.

Diesmal könnte es passieren, dass sich besonders viele der Teilnehmer gänzlich neu orientieren müssen. „Es gab allgemein wenige Verletzte in der Vorbereitung, so dass in dieser Phase wenig nachverpflichtet wurde. Man muss jetzt eben ein bisschen auf solche Dinge spekulieren oder dass eine Formkrise kommt bei den Vereinen“, erklärt Albracht, und wenn am 31. August das Transferfenster für Profis in festen Arbeitsverhältnissen schließt, könnte die Stunde der Arbeitslosen schlagen. Dann dürfen nur noch Spieler ohne Vertrag verpflichtet werden.

Noch vier Wochen über diesen Tag hinaus will die VDV ihre Schützlinge fit halten und vor der Einsamkeit bewahren, die die Arbeitslosigkeit bisweilen zur Folge hat. Man kann das VDV-Camp daher als eine Art wohlfahrtsstaatliche Nische im kalten Fußballgeschäft bezeichnen, denn die meisten rettet der Lehrgang vor einem tristen Zustand der Bedrückung. „Der erste Tag ist immer etwas problematisch, weil die Jungs dann von zu Hause kommen, alleine waren, über ihre Situation nachgedacht haben“, sagt Baumann, „aber wenn sie dann ein-, zweimal mittrainiert haben, dann kommt der Spaß, und dann sind die wieder gut drauf.“