Der Präsident und die Sexaffäre

Israels Staatschef Mosche Katzaw muss sich peinlichen Verhören bei der Polizei unterziehen. Zurücktreten will er nicht. Doch ob er im Amt bleiben kann, ist fraglich

Im israelischen Parlament kreisen bereits die Geier über dem Kopf des Präsidenten

JERUSALEM taz ■ Wer hätte das von dem vornehmen, zurückhaltenden Präsidenten Mosche Katzaw erwartet? Sexueller Missbrauch vor allem einer jungen Mitarbeiterin wird ihm zur Last gelegt. Sogar Vergewaltigung steht auf der Liste der möglichen Vergehen, denen sich der Staatschef seit Mittwoch bei polizeilichen Untersuchungsverhören stellen muss. Bereits Anfang der Woche hatten die Beamten Katzaws Büro untersucht und dabei mehrere Computer und Akten beschlagnahmt.

In Israel jagt derzeit eine Sexaffäre die nächste. Erst letzte Woche zog sich Justizminister Chaim Ramon temporär von seinem Amt zurück, nachdem ihn eine Bekannte beschuldigt hatte, er habe sie gegen ihren Willen auf den Mund geküsst. Oberstaatsanwalt Menachem Masus leitete unverzüglich eine Untersuchung ein. Die Medien und sogar Frauenrechtlerinnen reagierten überrascht auf diese drastische Maßnahme, die den attraktiven Justizminister den Kopf kosten kann. Denn sollte die Untersuchung allein aufgrund mangelnder Beweislage eingestellt werden, dann bleiben Zweifel bestehen. Reingewaschen werden kann er jetzt nur noch durch einen klaren Freispruch.

In jedem Fall ging Ramon mit gutem Beispiel voran. Katzaw hätte, so fordern nicht nur die Medien, es dem Justizminister längst nachtun sollen. Es ginge nicht an, so schreibt Zeew Segal von der Tageszeitung Ha’aretz, dass der Präsident trotz der stundenlangen Verhöre und der Razzia in seinem Büro „so tut, als sei nichts geschehen“. Nichts anderes passiert indes. Gleich im Anschluss an die peinlichen Befragungen amüsierte sich der Präsident mit seiner treuen Gemahlin Gila bei der Geburtstagsfeier eines Mitarbeiters.

Katzaw weist alle Vorwürfe von sich und denkt nicht daran, freiwillig abzutreten. Möglich wäre, dass der Oberste Gerichtshof Katzaw indirekt entmachtet, indem er dem Justizminister die Anweisung erteilt, die vom Präsidenten ausgesprochenen Begnadigungen nicht zu unterzeichnen. Dies böte sich ohnehin an, da das Justizministerium derzeit nicht besetzt ist.

Wahrscheinlicher ist, dass sich der des sexuellen Missbrauchs Beschuldigte bald dem öffentlichen Druck beugen wird. Im Parlament kreisen bereits die Geier über dem Kopf des Präsidenten, der bald einen Nachfolger braucht. Vizepremierminister Schimon Peres (Kadima), der vor sechs Jahren überraschend die Wahl gegen Katzaw verlor, ist nach wie vor potenzieller Kandidat, obschon er selbst jedes Interesse an dem Amt abstreitet.

In den Reihen der Arbeitspartei formiert sich unterdessen eine Initiative, den Präsidenten abzusetzen. Dazu sind zunächst die Unterschriften von zwanzig Parlamentariern nötig, um den Fall vor einen parlamentarischen Knesset-Ausschuss bringen zu können. Die Vorsitzende des Ausschusses Ruhama Awraham (Kadima) will zwar zunächst die polizeiliche Untersuchung abwarten, dennoch appellierte sie an Katzaw, „die Würde des Präsidentenamtes zu wahren“, indem er jetzt abtrete.

Um ihn zum Rücktritt zu zwingen, wäre allerdings eine Dreiviertelmehrheit der Abgeordneten nötig. SUSANNE KNAUL