Bahnreform als Reformverzicht
: KOMMENTAR VON REINER METZGER

Die Deutsche Bahn AG soll an die Börse. Angesichts der erfolgreichen Privatisierungen von Post und Lufthansa mag man dafür noch gute Gründe finden. Doch die Art und Weise, wie die Bahn nun in die Hände von privaten Anlegern kommen soll, wird wohl eine der großen verschenkten Gelegenheiten der Politik. Da hat die Bundesregierung einmal die Chance, zu gestalten – und verspielt sie gleich wieder.

Offenbar soll die Verfügungsgewalt des Zugbetreibers Bahn AG über die Bahnhöfe und Schienen bleiben. Trotz aller schlechten Erfahrungen, die jahrzehntelang sowohl Kunden als auch konkurrierende Zugunternehmen mit dem Monopol der Bahn erleiden mussten. Und trotz aller marktwirtschaftlichen Rhetorik der beteiligten Parteien.

Wie sieht es denn aus auf den deutschen Schienen? Immer weiter sinkt der Anteil der Bahn am Personen- und Güterverkehr. Immer neue Strecken werden stillgelegt. Die Wirtschaft stöhnt über die unflexiblen und langsamen Güterzüge. Überall, wo private kleine Schienenunternehmen trotz allerhand Schikanen den Verkehr übernehmen, steigen die Fahrgastzahlen. Und dabei kostet die Bahn AG den Steuerzahler trotzdem noch zehn Milliarden Euro im Jahr. Eine miese Bilanz.

Fachpolitiker und Experten sind sich einig, dass nur ein unabhängiges Netz die nötige Konkurrenz und Kreativität freisetzt, um Kunden wirksam zu umwerben. Wer wäre auf die Idee gekommen, der Lufthansa auch noch die Flughäfen, der Post auch noch die Zufahrtsrechte zu den Briefkästen zu schenken? Der Bundesregierung scheint all das egal.

Die Beweggründe des Verkehrsministeriums sind traditionell dubios und keineswegs bahn-, sondern autofreundlich. Auf wen soll man da noch hoffen? Vielleicht kann die bundeseigene Netzagentur das Gebaren des alt-neuen Monopolisten Bahn AG kontrollieren. Das funktioniert beim Telefon passabel, bei Strom und Gas bisher eher nicht. Außerdem bleibt noch der Bundesrat. Immerhin sind es die Bundesländer, deren Regionalmittel von der Bahn eingesackt werden – und deren Bürger am meisten von einem wahren Wettbewerb auf der Schiene profitieren würden.

schwerpunkt SEITE 4