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Sprachgewandt dank Goethe

JUBILÄUM Vor 50 Jahren wurde das Berliner Goethe-Institut gegründet. Seine Entwicklung ist eng verknüpft mit der der Stadt

„Eintauchen in die Sprache, die Stadt und das Land“

DAS KONZEPT DER SPRACHKURSE

VON NINA APIN

Dass Maurice Venerosy im Seminarraum 215 des Berliner Goethe-Instituts sitzt, hat mit dem Elsass zu tun. Noch mehr aber mit La Réunion. Diese Insel im Indischen Ozean ist Venerosys Heimat, dort studierte er Germanistik und lernte seine Freundin kennen, die nach dem Studium nach Straßburg zog. Er kam nach und hofft nun auf einen Lehrerjob in einer bilingualen Klasse im Elsass. „Mein letzter intensiver Kontakt zur deutschen Sprache ist zehn Jahre her – damals war ich Fremdsprachenassistent an einem Pankower Gymnasium“, erzählt der 33-Jährige mit leichtem Akzent. Zur Auffrischung seiner Deutschkenntnisse besucht er nun jeden Nachmittag einen mehrstündigen Intensivkurs und wohnt bei einer Charlottenburger Gastfamilie. Abends besucht er mit anderen Kursteilnehmern Kulturveranstaltungen, die das Goethe-Institut je nach Sprachkenntnissen vermittelt.

Ein „Sprachbad“ nennt Nikky Keilholz-Rühle das, was der angehende Deutschlehrer Venerosy derzeit absolviert. „Eintauchen in die Sprache, die Stadt und das Land“, fasst die Institutsleiterin das Konzept ihrer Sprachkurse zusammen. Auch die Vermittlung eines aktuellen und realitätsnahen Deutschlandbildes gehöre zum Angebot. „Schließlich kennen viele unserer Kursteilnehmer Deutschland nur aus Schulbüchern, Filmen oder weit zurückliegenden Aufenthalten.“

Das Berliner Goethe-Institut ist eins von 136 weltweit und das größte der 13 Inlandsinstitute. Rund 7.000 Gäste lernen hier jedes Jahr Deutsch, im Fortbildungszentrum bekommen Deutschlehrer, Führungskräfte, Wissenschafter und Studierende spezielles sprachliches Rüstzeug für den Berufsalltag. Zum Beispiel die 29-jährige Sophie Oliver aus London. Die Kulturwissenschaftlerin bekam ein Sprachstipendium für ein Forschungsprojekt über deutsche Erinnerungskultur. Vier Monate hat sie Zeit, um ihr Deutsch auf Wissenschaftsniveau zu bringen – und sich Grundkenntnisse über die Berliner Kulturlandschaft zu verschaffen. Die zentrale Lage des Instituts an der Neuen Schönhauser Straße in Mitte ist dafür ideal – nicht nur für Sophie Oliver, die bequem mit dem Fahrrad aus Prenzlauer Berg zur Schule fahren kann.

„Seit zehn Jahren sind wir hier zur Miete“, sagt Keilholz-Rühle und betont „zur Miete“. „Es mag Sie überraschen, aber wir bekommen keinen Pfennig staatlichen Zuschuss – wie alle Inlandsinstitute“, sagt die Leiterin im moosgrünen Kostüm. Während die Auslandsdependancen als Botschafter der Deutschen Sprache und Kultur fungieren, funktionieren die inländischen Institute wie ganz normale Sprachschulen. Lesungen oder Theateraufführungen im Haus gibt es an der Neuen Schönhauser Straße nicht, weswegen das Goethe-Institut für muttersprachliche Berliner so unsichtbar ist wie all die anderen Sprachschulen.

Die Atmosphäre im Inneren der hellen Fabriketagen gleicht allerdings eher einem Kulturinstitut als einem „Sprachcamp“ für junge Leute. Was an der Motivation der Teilnehmer liegt: Wer hierherkommt, will ernsthaft Deutsch lernen. Zwar gibt es auch Feriensprachkurse für Jugendliche und Schulklassen, aber eine gute Zeit unter Gleichaltrigen zu erleben ist nicht das Ziel. Dafür sind die Sprachkurse zu teuer: Für einen vierwöchigen Intensivkurs werden 1.000 Euro fällig – die Unterkunft nicht mitgerechnet. Zudem verlangt die Teilnahme viel Engagement: Nach viereinhalb Stunden Unterricht sind noch Hausaufgaben fällig. Auch das Rahmenprogramm setzt auf Seriosität: Architekturspaziergänge, Vorträge über die Berliner Theaterlandschaft, Sonderführungen durch das Bode-Museum. „Natürlich fühlen wir uns auch im Inland der Kulturvermittlung verpflichtet“, sagt Keilholz-Rühle, die zuvor Institute in Prag und Madrid leitete.

Boom bei Sprachschülern

Seit ein paar Jahren verzeichnet Berlin einen regelrechten Boom an Deutsch-Lernwilligen – und das, obwohl global gesehen die Zahl der Deutschlernenden leicht sinke. „Das Schicksal des Berliner Instituts war immer eng verknüpft mit der Lage in der Stadt“, sagt die Chefin. Zur Gründung im beschaulichen Grunewald ein Jahr vor dem Mauerbau war es ein Westberliner Prestigeprojekt. Zwölf Sprachkursler und 30 angehende DeutschlehrerInnen aus Ägypten und Syrien lernten dort.

Nach dem Umzug ins schicke Charlottenburg wurde mit Senatsmitteln aus dem Sprachinstitut ein Kulturzentrum mit Ausstellungsbetrieb. Nach der Wende geriet das Institut in eine Krise. Und Mitte der 90er Jahre führten die fremdenfeindliche Übergriffe in Ostdeutschland zu einem weiteren Teilnehmerrückgang.

Diese Ängste sind Vergangenheit. Ganz selbstverständlich bewegen sich etwa Gayatri Badki und Sameh Mostafa durch die Stadt. Die beiden Deutschlehrer aus Indien und Ägypten nehmen an einer dreiwöchigen Lehrerfortbildung teil. Sie machten einen Kiezspaziergang durch Kreuzberg, sahen sich das Musical „Linie 2“ im Gripstheater an, besichtigten verschiedene Schulformen. „Wir erhoffen uns hier didaktische Impulse für zu Hause“, sagt die 54-jährige Badki in akzentfreiem Hochdeutsch. Nächste Woche werden die Gastlehrer in Berliner Schulklassen hospitieren, Badki in Friedrichshain, Mostafa in Friedenau. Bei der Unterbringung ging das Goethe-Institut jedoch kein Risiko ein – die beiden wohnen in Charlottenburg und Wilmersdorf.

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