ANTJE PASSENHEIM ÜBER OBAMAS DROHENDE WAHLNIEDERLAGE
: Reinhauen, Mr President!

Wie schon so oft kommt Obama zu spät aus der Deckung. Abgerechnet aber wird erst am Schluss

Barack Obama krempelt die Ärmel hoch. Mit seinen Steuerplänen kämpft er um die geschundene Seele der amerikanischen Mittelschicht. Er kämpft für die Underdogs der Wirtschaftskrise – und er kämpft vor allem um seine eigene Haut. Denn wenige Wochen vor den Midterm-Wahlen steht Obama mit dem Rücken zur Wand. Seine Zustimmungswerte sind mit 41 Prozent auf einem Rekordtief angelangt. Die Wähler sehen ihr größtes Bedürfnis nicht befriedigt: Arbeit und finanzielle Sicherheit. Acht Millionen Jobs hat die Rezession gekostet. Obamas Regierung hat sie trotz milliardenschwerer Konjunkturprogramme nicht zurückgeholt. Der Staat stagniert in der Schuldenfalle, die Handelsbilanz ist im Schacht und viele Bundesstaaten wissen nicht mehr, ob sie Massentlassungen von Lehrern und Polizisten noch lange werden abwenden können.

Konservative Medien und die ultrarechte Tea-Party-Bewegung hauen auf Obama ein. Der wehrt sich: mit einem linken Haken. Tatsächlich zeigt er mit der Abschaffung der Bush-Prämie für Reiche plötzlich Muskeln. Die Wahl wird zur Entscheidungswahl: Zurück zur republikanischen Steuerpolitik, die die USA in die Rezession gerissen hat – oder nach vorn. Doch wie so oft kommt Obama zu spät aus der Deckung. Bis zu den Wahlen Anfang November bleibt sein Last-Minute-Befreiungsschlag für seine Wähler nicht mehr als ein Zahlenspiel. Neue Jobs bringt er bis dahin nicht. Und nur die könnten ihn vor einer verheerenden Wahlniederlage noch retten.

Obama bekommt die Quittung. Daran zweifelt keiner mehr. Auf der anderen Seite: Was heißt das schon? Weder Zwischenwahlen noch aktuelle Umfragewerte bestimmen, wie die Mehrheit Obama am Ende seiner ersten Amtszeit bewerten wird. Und nur das zählt, wie erfolgreiche Vorgänger wie Ronald Reagan oder Bill Clinton ihm vorgemacht haben: Ein Knick in der Mitte ist nicht das Ende. Unter einer Bedingung: Reinhauen! Und zwar künftig nicht zu zaudernd.

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