Gipfeltreffen der „Lebenslügen“

CDU-Richtungsstreit: Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin stichelt wieder einmal gegen Ministerpräsident Rüttgers. Heute eröffnen beide gemeinsam das NRW-Jubiläumsfest am Rhein

VON MARTIN TEIGELER

Es ist wie ein Ritual in einer alten Wohngemeinschaft: Langjährige Kontrahenten kommen zusammen und werfen sich gegenseitig Lebenslügen vor. Wenn Düsseldorfs CDU-Oberbürgermeister Joachim Erwin und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers heute in der Altstadt gemeinsam die Jubiläumsparty „60 Jahre NRW“ offiziell eröffnen, dürften sie sich viel zu sagen haben. Oder gar nichts mehr. Erwin und Rüttgers können sich in der Landeshauptstadt schwerlich aus dem Weg gehen – zumal wenn es etwas zu feiern gibt. Dabei hat der OB seinem alten rheinischen Parteifreund im CDU-Richtungsstreit gerade deutlich widersprochen.

Am Donnerstag Abend verteilte der Rathauschef wieder einmal Seitenhiebe gegen den Landeschef in der benachbarten Staatskanzlei am Rhein. In seiner Haushaltsrede räumte Erwin „mit der Lebenslüge auf, Steuersenkungen würden nicht mehr Wirtschaftswachstum und keine neuen Arbeitsplätze schaffen“. Düsseldorf hätte das Gegenteil bewiesen, verbreitete die Stadt gestern auf ihrer Internetseite. Dies zeige die Zunahme um 1.800 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in der Landeshauptstadt – nachdem die NRW-Kapitale seit Erwins Amtsantritt als Oberbürgermeister im Jahr 1999 drei Mal die Gewerbesteuer abgesenkt habe.

„Lebenslügen“? Da war doch was. CDU-Bundesvize Rüttgers hatte vor Wochen eine Debatte über „Lebenslügen“ in seiner Partei losgetreten. In mehreren Zeitungsinterviews hatte der NRW-Ministerpräsident erklärt, die CDU müsse sich von der Lebenslüge verabschieden, „dass Steuersenkungen zu mehr Investitionen und damit zu mehr Arbeitsplätzen führen“. Das sei in dieser Einfachheit nicht richtig. In Düsseldorf offenbar doch? „Naja, das ist Quatsch, was Erwin da erzählt hat“, sagt die SPD-Lokalpolitikerin Annette Steller. Was der OB betreibe, sei „Lesen im Schlamm“. Niemand könne beweisen, ob die Gewerbesteuersenkungen der Stadt wirklich 1.800 neue Jobs gebracht hätten.

Erwin jedenfalls beließ es in seiner Etatrede nicht bei der Kritik an „Lebenslügen“. Das Land bereichere sich auf Kosten der Kommunen, sagte der Kommunalpolitiker. Düsseldorf klagt derzeit mit anderen Städten gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz. Das Land stelle Düsseldorf als die böse, reiche Stadt dar, die den anderen Kommunen nichts abgeben wolle, so Erwin: „Dieses Schwarze-Peter-Spiel machen wir nicht mit. Wir wehren uns gegen jene, die uns bestrafen, weil wir erfolgreich gewirtschaftet haben.“ Das Land müsse vielmehr „seine Hausaufgaben machen, indem es Ausgaben kappt und mit dem Bürokratieabbau ernst macht“. Das klang bereits wieder nach Vorhaltungen in einer Streit-WG.