Schwedische Atomaufsicht hält sich bedeckt

SKI will sich nicht zum Störfall in Forsmark äußern. Die deutschen Kollegen halten ihn für gravierender als vermutet

STOCKHOLM taz ■ Das schwedische AKW Forsmark sorgt weiter für Wirbel. In einem neuen Bericht bewerten die Deutsche Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) und das Öko-Institut die Panne gravierender als bisher vermutet. Demnach soll nicht nur ein Defekt bei der Notstromversorgung, sondern eine ganze Reihe von Fehlern die Störung verursacht haben. Die schwedische Strahlenschutzbehörde SKI wehrt sich unterdessen gegen voreilige Schlüsse. Insbesondere weist sie die Bewertung „gefährlichster Zwischenfall in der Geschichte der schwedischen Kernkraft“ zurück. So hatte unter anderem der Vorsitzende des SKI-Beratergremiums für Reaktorsicherheit, Professor Björn Karlsson (taz v. gestern) den Forsmark-Störfall bewertet. Von einigen deutschen Medien war diese Einschätzung fälschlicherweise zu einer offiziellen Behördenstellungnahme gemacht worden.

Die SKI geht nicht inhaltlich auf die Meinung des Vorsitzenden ihres wichtigsten Beratungsgremiums ein, sondern kritisiert indirekt: „Bewertungen und Vergleiche mit anderen in- und ausländischen Störfällen sind nicht aktuell.“ Was die Analyse des Störfallberichts des Reaktorbetreibers Vattenfall und die eigene Analysearbeit angehe, so sei frühestens kommende Woche mit einer ersten offiziellen Stellungnahme zu rechnen. Wobei man zu Detailfragen auch um Unterstützung durch ausländische Schwesterbehörden gebeten habe.

Der SKI wird von Atomkraftkritikern schon lange eine zu große Nähe zu den Interessen der Reaktorbetreiber und ein blindes Vertrauen in deren Sicherheitsarbeit vorgeworfen. So wurde gestern bekannt, dass Vattenfall den Störfallreaktor im Frühjahr offenbar über mehrere Wochen mit dem – unerlaubt hohen – Effekt von 110 Prozent gefahren hatte. Die Entschuldigung des Betreibers: Die Messinstrumente seien defekt gewesen. Bis heute hat die SKI nicht mit strengeren Kontrollen reagiert, sondern „ermittelt“ noch.

Offene Kritik zum Umgang mit dem Forsmark-Störfall musste die SKI sich nicht nur von unabhängigen Atomkrafttechnikern, sondern auch aus den norwegischen und finnischen Strahlenschutzbehörden gefallen lassen. Die Behörde hatte auch nach dem 25. Juli zunächst nichts getan und ließ erst, nachdem Medien das Thema aufgegriffen hatten, die drei anderen dem Forsmark-Reaktor bauähnlichen Reaktoren stilllegen. Das hatte Schwedens Umweltministerin Lena Sommestad veranlasst, eine internationale Untersuchung anzuregen. Dieses mangelnde Vertrauen in die Bereitschaft oder Fähigkeit von SKI, den Störfallursachen wirklich auf den Grund zu gehen, brachte sie in dieser Woche erneut mit der Ankündigung zum Ausdruck, die Regierung müsse wohl aktiv werden. Erneut schlug sie eine unabhängige Untersuchung vor.

Die SKI gab gestern in einer Presseerklärung nun doppeldeutige Signale: Einerseits wird es als „schwerwiegend“ eingeschätzt, „dass Sicherheitssysteme, die voneinander unabhängig sein sollen, technisch nicht ausreichend abgeschirmt waren“. Andererseits ergehen sich die Experten in allgemeinen Belehrungen darüber, dass es in der Welt der Atomkraft wie in der Flugzeugindustrie sei und man eben aus Unfällen lernen müsse. Das läuft auf das „Trial-and-Error-Prinzip hinaus – keine beruhigenden Aussichten.

REINHARD WOLFF