Nicht nur symbolische Anerkennung

INKLUSION Seit Februar können behinderte Menschen in Bremen erstmals eine bundesweit anerkannte Qualifizierung erwerben, die ihnen den Weg in den regulären Arbeitsmarkt ebnet

„Früher haben die Menschen immer ein Extraprogramm bekommen. Jetzt werden sie Teil einer ganz normalen Ausbildung“

Wilfried Hautop, Geschäftsführer von Werkstatt Bremen/Martinshof

Am ersten Februar haben zum ersten Mal BremerInnen mit Behinderungen eine Berufsqualifikation im Bereich Hauswirtschaft begonnen, die weitaus mehr darstellt als eine symbolische Anerkennung ihrer Leistungen: Die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten gelten bundesweit als Basis für Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten auf dem regulären, ersten Arbeitsmarkt. Den Zugang dorthin fordert auch die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland 2009 ratifiziert hat.

Erworben werden die erforderlichen Module im Rahmen einer zweijährigen Qualifizierungsmaßnahme in einem von drei Altenheimen der Bremer Heimstiftung – die „Azubis“ arbeiten also nicht, wie sonst üblich, in einer Behindertenwerkstatt oder in einem woanders speziell auf sie zugeschnittenen Bereich: „Früher haben die Menschen immer ein Extraprogramm bekommen“, sagt Wilfried Hautop, Geschäftsführer des Bildungs- und Beschäftigungsträgers Werkstatt Bremen/Martinshof. „Jetzt werden sie Teil einer ganz normalen Ausbildung – damit sind wir der Inklusion, die es ja auch jenseits von Schulen geben sollte, ein ganzes Stück näher gekommen.“

Nicht nur durch den Ort der Ausbildung unterscheidet sich die Maßnahme von dem im vergangenen Jahr erstmalig an behinderte Menschen verliehenen Zertifikat (taz berichtete): Das nämlich trägt zwar die Unterschriften von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Die Grünen) und Arbeitsagentur-Chef Götz von Einem und bescheinigt die erfolgreiche Teilnahme an einer zweijährigen Bidungsmaßnahme, wird aber nur in fünf Bundesländern anerkannt – und dient potenziellen ArbeitgeberInnen lediglich als grobe Einordnung. „Wir haben durch die Einführung des zugegebenermaßen eher symbolischen Zertifikats gehofft, dass die Handwerks- und Handelskammern hellhörig werden“, sagt Hautop.

Sein Plan ist aufgegangen, und so hat Bremen als zweites Bundesland nach Rheinland-Pfalz gemeinsam mit den Kammern und der für den Bereich Hauswirtschaft zuständigen Finanzsenatorin eine nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) anerkannte Qualifizierung für Behinderte erarbeitet. Mit der haben am ersten Februar sechs TeilnehmerInnen begonnen.

Die Ausbildung besteht aus drei Praxis- und zwei Schultagen pro Woche und beinhaltet sechs Bausteine, von denen fünf absolviert werden müssen, um ein Zeugnis zu erhalten, das die erfolgreiche Teilnahme „(...) gemäß Paragraph neun BBiG über den Erwerb von hauswirtschaftlichen Kompetenzen (...) zugeordnet dem Niveau 2 im Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmen“ bescheinigt. Acht Stufen gibt es in diesem Rahmen insgesamt – auf Stufe drei bewegt sich die Ausbildung zum/zur FachpraktikerIn Hauswirtschaft, auf Stufe vier die zum/zur HauswirtschafterIn.

Als nächste Maßnahme plant der Martinshof eine Qualifizierung im Bereich Lagerlogistik. Wie die aussehen wird und wann sie startet, ist noch unklar, aber: „Gespräche mit der Handelskammer laufen bereits“, sagt Hautop.  SIMONE SCHNASE