Eine Rolle Klopapier als Denkmal

Spaß oder Kunst, oder etwa beides? Frank Herzog räumt Holz ins „Privathaus“ der Kunsthalle Recklinghausen

Am Anfang sei ein Leguan. Er liegt allerdings auf der Hutablage. Danach folgen ein Rollmops, ein grünes Spül-Schwämmchen und die alte Fischkiste, die schon so manche Kunst-Ausstellung bestückt hat. Kunst? Eine Etage höher folgen in der Recklinghäuser Kunsthalle eher Utensilien eines Hausstandes: Kinderspielzeug, Wäschestücke und ernst blickende Hundekopf-Trophäen („Lucky“ und „Luke“), die der posende Künstler, dessen Ausstellung sinnigerweise den Titel „Privathaus“ trägt, für den Museumsdirektor auch gern mal zur Schau unter dem Arm trägt.

Der Bildhauer und Maler Frank Herzog ist inzwischen raus aus dem Kölner Kunst-Klüngel und im Westerwald sesshaft geworden. Seine Haare sind grau, die spitzen schwarzen Koteletten verschwunden. Er ist Vater geworden. Ihm geht es gut. Man sieht es. Der Herzog macht immer noch Kunst. Oder ist ein Stapel Handtücher aus einem Stück Holz geschnitzt nur Dekoration?

Nein. Geschärften Blickes für die Wahrnehmung einer Wirklichkeit, die sich auch in vielen alltäglichen Dingen um uns herum manifestiert, tauchen bei dem Wäschestapel Erinnerungen auf. An den Geruch frischer Wäsche, die an der Luft getrocknet wurde, an Wäschekörbe, deren Inhalt nicht so lecker roch. Und ans Bügeleisen, diesem falschen Symbol von Ordnung, die ganze Generationen unterjochte. So geht es in den Gedanken weiter. Akopads tauchen auf. Frisch aus der Verpackung und mit kläglichem Teint in der Abfalltüte. Die Länge ihrer Existenz richtet sich nach dem Drecksanteil der Arbeit, die sie verrichten. Hat das Schwämmchen etwa gesellschaftspolitische Analogien? Der wilde Gedanke entfernt sich glücklicherweise freiwillig und der Blick fällt hoffnungsvoll auf hölzerne Steckdosen und harmlose Blumenvasen (mit Blumen). Die Dinge der täglichen Verrichtung bekommen ein seltsames augenzwinkerndes Eigenleben, wie der gemalte Fenstervorhang, der sich auf den zweiten Blick als Schnitzwerk offenbart.

Ja, selbst die Recklinghäuser Kunsthalle scheint diese Metamorphose durchlaufen zu haben. Als Bunker zum Schutz von Menschen vor Menschen gebaut, ist sie momentan ein Refugium der gefährdeten, sonst unbemerkten Dinge, die sich zur Kunst erhoben. Zur Reflexion auf die Gegenstände nämlich, die in der Regel von Kunst ausgeschlossen werden, weil sie einfach täglich da sind. Und auf den hölzernen Sockel setzt Frank Herzog dafür Goofy, weil er wohl der bessere Mensch im großen Comic, genannt Leben ist. Das unterscheidet den malenden Holzschnitzer Herzog wohl auch vom hehypten Holzschneider Stefan Balkenhol, der seine Menschen-Stelen en gros produziert und weltweit an Sammler und Museen verhökert. PETER ORTMANN

BIS 24. September 2006Infos: 02361-501935