Null Punkte machen VfL stark

Die Bochumer Führungscrew verarbeitet das 0:1 gegen Cottbus unterschiedlich: Der Clubboss zeigt keine Regung, der Manager schüttelt den Kopf und VfL-Trainer Koller stellt abstruse Theorien auf

„Wir waren auch von der Bochumer Taktik überrascht“, freuten sich die Cottbusser

AUS BOCHUMMARCUS BARK

Stefan Kuntz, der Manager des VfL Bochum mit Sitz im Vorstand, drehte sich um und schüttelte den Kopf. Schräg hinter ihm saß Werner Altegoer, der mächtige (manche sagen gar allmächtige) Aufsichtsratschef des VfL. Der Boss mit dem ebenso mächtigen Leibesumfang nahm das Kopfschütteln zur Kenntnis, starrte aber ansonsten weiter unbeirrt auf den Platz. Das hatte er am Samstag 90 Minuten lang getan, ohne Regung, ohne Zucken. Altegoer hat nicht einmal den Fuß ein paar Zentimeter ausgefahren, um dem Stürmer Fabio Junior vorzumachen, wie er zu schießen hat. Er hat nicht einmal die Hände vors Gesicht geschlagen, als Fabio Junior in der ansehnlichen ersten Halbzeit wieder eine Chance vergab. Er hat noch nicht einmal den Kopf in den Händen vergraben, als Vragel da Silva in der 85. Minute mit der einzigen Chance der unansehnlichen zweiten Halbzeit das 1:0 für den FC Energie Cottbus köpfte. Durch diesen Treffer verlor der Aufsteiger auch das dritte Spiel der Bundesligasaison 2006/2007.

Als Bochums Trainer Marcel Koller sich mit der Mannschaft auf den beschwerlichen Weg machte, um sich beim Publikum zu bedanken, das kurz zuvor „Koller raus!“gebrüllt hatte, saß Altegoer noch immer da wie in der ersten Minute. Der Mann hat eine Bierruhe, wie sie allen Verantwortlichen nach dem dritten Spieltag zu wünschen wäre. Er sitzt solche Rufe locker aus.

Marcel Koller hingegen wirkte ein wenig angezählt. Der Trainer stellte abstruse Theorien auf. Nach drei Spielen noch keinen Punkt zu haben, „kann einen auch stark machen“, sagte der Schweizer. Der erste Sieg würde dann in seinem „psychologischen Effekt“ umso stärker wirken. Je länger Koller über die Niederlage redete, desto mehr erschien sie als getarnter Sieg: „Nach einer Niederlage analysierst du mehr, als wenn du gewinnst.“ Tatsächlich haben geschockte Fehlstarter in der Ligahistorie schon oft den Klassenerhalt geschafft. Ein Zuschauer auf den VIP-Plätzen, drei Reihen hinter Altegoer, geriet dennoch schon während der Partie in Panik. „Nur ein Stürmer, und das gegen Cottbus“, rief er laut, damit es der Boss auch auf gar keinen Fall überhören konnte.

Koller verteidigte sein System mit Fabio Junior als einziger Spitze. Es sei nicht wichtig, wie viele Stürmer in der Mannschaft stünden, sondern wie die Mannschaft das System umsetze. Doch selbst der Gegner wunderte sich über das Signal, das von der zurückhaltenden Aufstellung ausgegangen war. „Wir waren auch von der Bochumer Taktik überrascht, dass die so viel Respekt vor uns haben“, sagte der Cottbuser Manager Steffen Heidrich.

Marcel Maltritz hielt die Systemfrage für müßig. Gegen Bayern hätten sie im 4-2-3-1 gut ausgesehen, sagte der Bochumer Innenverteidiger. Nun sind Spiele gegen Cottbus aber etwas völlig anderes als gegen Bayern. Die Mannschaft von Petrik Sander hatte in den ersten zehn Minuten zwei gute Chancen durch Sergio Radu. Danach zog sie sich immer mehr zurück „und hat viel zugelassen“, wie Manager Heidrich sagte: „Es war kein verdienter Sieg.“ Marco Küntzel sprach sogar davon, dass es „ein absoluter Grottenkick von uns“ gewesen sei. Das war allerdings ein bisschen zu viel an Selbstkritik.

Es waren nicht nur Cottbuser Glück und die von Koller bemängelte Abschlussschwäche, die den ersten Sieg der Bochumer verhinderten. In der Offensive fehlte es an der Fähigkeit, eine Abwehr mit schnellen Kombinationen auszuspielen. Marcel Koller will daran arbeiten. Das ist auch notwendig: Demnächst müssen die Bochumer beim Tabellenführer 1. FC Nürnberg antreten. „Wir müssen die Ruhe und die Überzeugung bewahren“, sagte der Trainer. „Aber wenn man null Punkte hat, ist es schwierig, daran zu glauben.“ Koller war zurück in der Realität.