Kein Aufstiegskampf im Norden

Der VfB Lübeck und Holstein Kiel machten im Nordderby deutlich, dass sie mit dem Aufstieg vermutlich nichts zu tun bekommen werden. Der Frust darüber hielt sich offenbar in Grenzen

„Im Rückspiel werden wir den Lübeckern aber wieder ihre Grenzen aufzeigen“, tönt Holsteins Breitenreiter

Aus LübeckChristian Görtzen

Als die finanzkräftigeren Freunde des VfB Lübeck im VIP- und Presseraum Bernd Hollerbachs Statement zum 1:1 (1:0) im Heimspiel gegen Holstein Kiel hörten, wäre einigen beinahe der Appetit auf Gulasch mit Nudeln und frisch gezapftes Bier vergangen. „Die erste Halbzeit war die beste, seit ich hier Trainer bin“, sagte der ehemalige Bundesliga-Spieler des FC St.Pauli, 1. FC Kaiserslautern und des HSV, der auf Grund seiner robusten Spielweise mehr berüchtigt als berühmt war. „Oje, Oje“, seufzte einer der Zuhörer nicht wirklich leise und starrte sorgenvoll in das halb leere Bierglas. Andere VfB- Freunde lächelten milde oder schüttelten ungläubig den Kopf.

Auf alle wirkte diese Aussage wie eine unheilvolle Drohung, dass es unter Umständen noch schlechter werden könnte. Gar nicht auszumalen, wie es kommen kann, wenn der Platz in einem schlechteren Zustand ist, wenn vielleicht ein Nachwuchsspieler nicht als Alternative zur Verfügung steht, oder die Mannschaft nicht erst nach der Hälfte der Spielzeit ihre Bemühungen einstellt, wie schon bei den Amateuren des Hamburger SV (0:1) eine Woche zuvor und nun gegen Kiel wieder,sondern, oh’ Graus, vielleicht schon nach der Hälfte der Hälfte.

An Hollerbach hätte Jürgen Klinsmann seine helle Freude gehabt. Der vor kurzem zurückgetretene Teamchef der deutschen Nationalmannschaft liebt bekanntlich das positive Denken. Es lässt sich eben immer etwas Gutes finden, sofern man nur sorgsam genug sucht. Hollerbach hörte am Sonnabend gar nicht auf zu suchen und präsentierte dem NDR in dessen Fernsehsendung zur Fußball-Regionalliga eine noch verwegenere These zu dem Nordderby: „Wir haben heute 50 Minuten lang super gespielt“, sprach Hollerbach, der in der vergangenen Saison den VfL 93 Hamburg zur Verbandsliga-Meisterschaft geführt hat, in die Kamera. Keine zehn Sekunden später ergänzte er, dass er 60 Minuten lang mit dem Auftritt seiner Mannschaft „sehr zufrieden“ war. Nur gut, dass die Sendezeit begrenzt war. Wo hätte das sonst noch hingeführt? Insgesamt habe er ein gutes Spiel gesehen, resümierte Hollerbach.

Jetzt ist’s aber genug! Einspruch! Von einem guten Spiel kann keine Rede sein. Mit einigem gutem Willen kann man der Partie die Note 4,5 geben. Die erste Halbzeit war schlichtweg grausam, Note 5,5. Hollerbach hatte zumindest in dem Punkt Recht, dass er seine Mannschaft in der ersten Halbzeit als die bessere von zweien gesehen hatte, die nicht mal ansatzweise wie Aufstiegsaspiranten spielten. Die 1:0-Führung zur Pause durch Daniel Bärwolf (42.) war verdient. Kiel war eine einzige Enttäuschung. Das änderte sich nach der Pause. Holstein bestimmte die interessantere zweite Halbzeit und kam durch Abwehrspieler Thorsten Rohwer (61.) zum verdienten Ausgleich. Dabei blieb es. Gerechter hätte das 106. Aufeinandertreffen der Rivalen nicht enden können.

„Die Brisanz war noch nicht so da, deswegen war das Spiel nicht so ein Highlight wie im vergangenen Jahr“, sagte Kiels Kapitän Andre Breitenreiter und versprach vollmundig: „Im Rückspiel werden wir den Lübeckern aber wieder ihre Grenzen aufzeigen.“