Tiefensee-Marshals: Auf Hartz und ohne Colt

Der Verkehrsminister möchte Arbeitslose im Nahverkehr patrouillieren lassen – und erhält nicht gerade Beifall

Der Minister: „Warum soll es nicht Leute geben, die in Bussen nach dem Rechten sehen?“

BERLIN taz ■ Rail-Marshals sollten Deutschlands Züge durchkämmen – mit diesem Vorschlag fiel letzte Woche der Böblinger CDU-Bundestagsabgeordnete Clemens Binninger auf. Von Binninger hatte bis dahin niemand je gehört, und trotz allem Sicherheitseifer verschwand er samt seinem Vorschlag auch schnell wieder in der Versenkung. Jetzt will wieder jemand Patrouillen losschicken, doch diesmal kein Unbekannter, sondern Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee.

„Wir suchen immer nach Möglichkeiten für gemeinnützige Arbeiten, die Empfänger staatlicher Unterstützung leisten können“, sagte der Sozialdemokrat im Focus. „Warum soll es nicht Leute geben, die in Bussen oder Straßenbahnen nach dem Rechten sehen?“ In seiner Mitteilung zu dieser Neuigkeit präzisierte das Magazin noch, die Hartz-IV-Empfänger sollten „unbewaffnet“ sein.

Die Nahverkehrsbetreiber reagierten wenig begeistert. „Das macht so wenig Sinn“, sagte Friedhelm Bihn, Sprecher des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, der taz: „Personelle Präsenz erhöht das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste. Aber wenn Service- und Sicherheitskräfte patrouillieren, müssen sie entsprechend ausgebildet sein.“ Die Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe, Petra Reetz, sagte, sie glaube kaum, dass solche Patrouillen Anschläge verhindern könnten. Wenn, dann müssten es Spezialisten sein, und die seien teuer. „In der U-Bahn muss man sich auskennen“, so Reetz. „Sonst macht einer die falsche Tür auf, und der Strom ist weg.“

Andererseits: Um Pöbeleien oder Vandalismus zu verhindern, haben die Berliner schon Derartiges versucht. Vor gut einem Jahr, als immer wieder Busfahrer verprügelt wurden, wollten sie 1-Euro-Jobber einsetzen. Die Agentur für Arbeit lehnte ab: Sicherheit sei eine Regelaufgabe des Verkehrsunternehmens.

Der Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Hartmut Buyken, hätte gerne Zugbegleiter in allen Nahverkehrszüge – aber qualifizierte. „Man kann nicht irgendeinen Hartz-IV-Empfänger nehmen, der nicht trainiert ist. Das müssen vollwertige Zugbegleiter sein, ein Hartz-IV-Empfänger könnte höchstens hilfsweise dabei sein.“ Tiefensees Sprecherin erläuterte, es handle sich um einen Denkanstoß des Ministers. Der Minister habe angeregt, „kreative Wege“ zu gehen. LÖW

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