„Beethoven als Wirrkopf“

Autor Noltze kritisiert seichte Musikvermittlung

■ ist Kulturjournalist und seit 2005 Professor für Musikjournalismus an der Universität Dortmund.  Foto: version-foto

taz: Herr Noltze, warum bestehen Sie darauf, dass Klassik anstrengend ist?

Holger Noltze: Weil ich beobachtet habe, dass diejenigen, die diese Musik vermitteln, immer stärker vereinfachen und Komponisten auf Abziehbilder reduzieren. Da bleibt von Beethoven dann nur noch der Wirrkopf mir Hörrohr. Und schwerer als seine Neunte, deren Chor alle mitsingen können, darf’s nicht sein.

Wer sagt das?

Viele Radio- und Fernsehmacher, mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Die sahen irgendwann ihre Quoten schwinden und beschlossen, „jünger“ und „leichter“ zu werden. Man ermäßigte also vorauseilend den intellektuellen Eintrittspreis. Ich glaube aber, dass man dem Publikum mehr zumuten kann.

Aber bringt Vereinfachung nicht wirklich Quote?

Die Statistiken zeigen eine kurzfristige, aber vorübergehende Delle nach oben.

Wo läuft Vermittlung falsch?

Nehmen Sie Beethovens virtuoses Klavierstück „Wut über den verlorenen Groschen“. Moderatoren präsentieren es oft als Soundtrack zu einer Anekdote. Nicht als eigenständige Musik.

Und Sie würden…

… über Beethovens Große Fuge in B-Dur sprechen und sagen: Es wird anstrengend, aber wenn ihr euch damit befasst, wird sich euer Blick auf die Welt verändern. Denn diese Musik wurde geschrieben, um eine wichtige Mitteilung zu machen. INTERVIEW: PS

Holger Noltze diskutiert mit Redakteur René Aguigah über sein Buch „Die Leichtigkeitslüge“: 19 Uhr, Körber Forum, Kehrwieder 12