Vom Fest in der Pampa zum Großevent

BERLIN-FESTIVAL Schlangestehen und Massenandrang. Die Besucher des Festivals am Flughafen Tempelhof mussten viel Geduld mitbringen. Am Freitag wurde die Veranstaltung sogar wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen

Durch Schleusen auf Musikfestivals geht man in diesen Tagen nur noch sehr ungern

VON ANDREAS HARTMANN

Duisburg ist überall. Auch die Duisburg-Witze sind überall. „Fehlt nur noch der Tunnel“ und Ähnliches war zu hören angesichts des Gedränges und Geschiebes der Zuschauer am Freitag, dem ersten von zwei Tagen auf dem „Berlin-Festival“ im ehemaligen Flughafen Tempelhof. Und das, obwohl man das Festivalgelände noch gar nicht betreten hatte, sondern noch davor stand. Allein die Schlange vor dem Schalter mit den VIP- und Pressetickets war so lang, als würden alle für die Restkarten eines Beatles-Konzerts in Originalbesetzung mit den überraschenderweise wiederauferstandenen George Harrison und John Lennon anstehen.

In feinster Landluft

Fehlplanungen und mangelhafte Organisation begleiten das Berlin-Festival, schon seit es existiert. Vor ein paar Jahren fand es noch weit draußen in der Pampa statt, in Paaren im Glien, zwischen gackernden Hühnern in feinster Landluft. Berlin war zu diesem Zeitpunkt noch in weiter Ferne vom Berlin-Festival, entsprechend wenige Besucher verirrten sich dorthin zu den Versuchen, Berlin ein anständiges Popfestival zu bescheren. Zum vierten Mal fand das Berlin-Festival nun tatsächlich mitten in der Stadt statt und zum zweiten Mal auf dem ehemaligen Flughafengelände.

Aus der überschaubaren Landpartie im Grünen ist inzwischen ein Mega-Event geworden, die Abschlussveranstaltung der Berlin Music Week. 20.000 Besucher wurden erwartet, ausverkauft sei das Ganze gewesen, hieß es.

Schon Tage vor dem Festival wurde bekannt, dass der Andrang groß werden würde. Dass man es nicht schaffte, diesem Ansturm auf die Tickets vor Ort auch nur ansatzweise gerecht zu werden, ist deshalb unbegreiflich. Aber seit Duisburg hat man sich ja daran gewöhnt, dass Großevents zu planen so manchen Veranstalter überfordert. Drinnen auf dem Festivalgelände gab es dann eine eigentümliche Mischung aus zu viel und zu wenig Platz.

Weiträumig waren Buden aller Art verteilt, neben der üblichen Mischung aus Catering und Nippesverkaufsständen gab es sogar die Möglichkeit, sich zwischendurch eine Massage zu gönnen. Hier verteilten sich die Besucher recht gut, und man hätte Platz genug gehabt, Purzelbäume zu schlagen. Auch vor der Hauptbühne konnte man gut und ohne in Atemnot zu geraten Festival-Highlights wie den Auftritten der gefeierten LCD Soundsystem und der Joy-Division-Gedächtnisband The Editors beiwohnen. Schon früh zu Gedrängel kam es dagegen auf einer der beiden Nebenbühnen in den Hallen, im Hangar 4.

Mulmiges Gefühl

Um dorthin zu gelangen, musste man durch eine Schleuse, und allein das ließ bei vielen ein mulmiges Duisburg-Gefühl aufkommen. Durch Schleusen geht man in diesen Tagen nur noch ungern. Die Schleuse wurde geschlossen und geöffnet, schon beim eigentlich fantastischen Auftritt der Dance-Pop-Queen Robyn, den wohl mehr sehen wollten, als vermutet worden war. Nach dem Auftritt der Editors war draußen gegen 23 Uhr wegen Lärmschutzbestimmungen Schluss. Und dann muss es wohl zu einem weiteren Duisburg-Effekt gekommen sein, Ergebnis einer grotesken Fehlplanung. So wie man sich bei Duisburg im Nachhinein fragt, wie jemand auf die Idee kommen konnte, hunderttausende Raver durch einen Tunnel als Nadelöhr schleusen zu wollen, stellt sich auch noch Wochen danach die Frage beim Berlin-Festival, ob sich niemand vorher Gedanken darüber gemacht hat, wo wohl all die Besucher hinsollten, die kurz vorher noch bei den Editors rumstanden.

Wären alle nach Hause gegangen, das Problem hätte sich von selbst gelöst. Aber das Festival ging jetzt erst richtig los. Es sollten noch Acts wie Atari Teenage Riot und vor allem der DJ Fatboy Slim kommen. Massieren lassen wollte sich da niemand mehr, alles strömte zum Hangar 4. Um kurz vor drei Uhr morgens, noch vor dem eigentlichen Hauptact Fatboy Slim, löste die Polizei in Absprache mit den Veranstaltern das Festival auf. Abbruch vor dem Höhepunkt. Murren, Pfiffe, die Masse trottete von dannen. Überreaktion oder weises Sicherheitsmanagement? Man wird es wohl nicht endgültig klären können. Ohne den Schock von Duisburg wäre es so weit bestimmt nicht gekommen. Es war ein schlimmes Gedränge, aber eine Massenpanik lag beim Berlin-Festival eigentlich nie in der Luft.

Um 11 Uhr ist Schluss

Der zweite Tag des Festivals wurde komplett neu durchorganisiert. Statt bis Sonntag früh sollte bereits gegen 23 Uhr alles durch sein und sollten überall die Lichter ausgehen. Es war weit weniger los an diesem Samstag, bei Edwyn Collins waren gerade mal 1.000 Besucher da. Erst später bei Gonzalez kam gute Stimmung auf. Die Veranstalter planen, mit den abgesagten Acts Verhandlungen aufzunehmen, ob sie ihre ausgefallenen Auftritte nachholen können. Bis dahin lassen wir unsere Eintrittsbändchen um die Handgelenke, sonst müssen wir wieder zwei Stunden anstehen.