ULRIKE HERRMANN ZUM EU-FREIHANDELSABKOMMEN MIT KANADA
: Das Schweigen der EU

Die EU-Kommission verhält sich verdächtig: Mit Kanada hat sie ein Freihandelsabkommen fertig ausgehandelt – aber sie veröffentlicht es nicht. Stattdessen kursieren nur geleakte Passagen. Aber diese dürftigen Schnipsel reichen, um alarmiert zu sein. Sie offenbaren, dass die EU-Kommission nicht fähig oder willens ist, die Interessen der europäischen Bürger zu wahren.

Besonders fatal sind die Klauseln zum „Investorenschutz“ ausgefallen, die die Sonderklagerechte für ausländische Konzerne regeln. Bei einer Anhörung im kanadischen Parlament kamen Juristen zu dem Ergebnis: Das Freihandelsabkommen mit Europa sei „der investorenfreundlichste Vertrag“, den die kanadische Regierung jemals abgeschlossen habe. Die EU-Kommission hat offenbar massiv darauf gedrängt, die Sonderrechte für Konzerne auszuweiten.

Wie problematisch der „Investorenschutz“ ist, wurde deutlich, als Vattenfall 2012 eine Klage gegen die Bundesrepublik einreichte. 3,7 Milliarden Euro Schadenersatz verlangt der schwedische Energiekonzern, weil er die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel abschalten musste. Derartige Klagen dürften sich künftig häufen, falls der „Investorenschutz“ überall verankert wird.

Der Vertrag mit Kanada gilt als Blaupause – für die TTIP-Verhandlungen mit den USA, die gerade laufen. Dieser Zusammenhang dürfte erklären, warum die EU-Kommission so obstinat schweigt: Sie weiß, dass TTIP scheitern würde, wenn bekannt wäre, was mit Kanada vereinbart wurde.

Das Schweigen der EU ist verdächtig, offenbart aber auch die Hilflosigkeit der Kommission. Denn ein Geheimabkommen nutzt ihr nichts. Ein Vertrag ist nur gültig, wenn er von den Parlamenten ratifiziert wurde. Die Anti-Freihandels-Aktivisten haben also bisher gewonnen. Glückwunsch!

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8