Golfen gegen Bayreuth

„Wahnfried“ bei der RuhrTriennale. Ex-„Spiegel“-Musikredakteur Klaus Umbach hat sich bei der Ruhrtriennale erstmalig als Bühnenautor betätigt. Es wurde ein verschenkter Abend

VON REGINE MÜLLER

Es ist ziemlich leicht, sich über Richard Wagner lustig zu machen. Sein privater Hang zur Selbstinszenierung und das hohe Pathos seiner Texte bieten reichlich Steilvorlagen. Der manisch umtriebige Sachse mit Vorliebe zu problematischen Ideologien ist auch der kritischen Durchleuchtung von Leben und Werk ein äußerst ergiebiges Objekt. Dessen ungeachtet erfreut sich sein gigantisches Lebenswerk bester Vitalität. Dies ließ Klaus Umbach, offenbar Wagner-resistenter ehemaliger Musikredakteur des „Spiegel“ nicht ruhen. Im Auftrag der RuhrTriennale schrieb er ein Bühnenstück, das ein Zwitter aus konzertanter Oper und Schauspiel ist und ein „kleines Gesamtkunstwerk“ sein will, das Einblick in die „wunderbare Welt der Wagners“ bietet.

Schon der Auftrag, den Jürgen Flimm – selbst gewesener Bayreuth-Regisseur – erteilte, erstaunt in doppelter Hinsicht. Denn erstens haben weder Wagner noch das Gesamtkunstwerk das Geringste mit dem Triennale-Motto „Der Mensch des Barock“ zu tun, und zweitens holt Flimm damit durch die Parodie- Hintertür genau das, wogegen sich Vorgänger Gerard Mortier seinerzeit wehrte: „Nur nicht den Ring“ versprach er damals.

In der Bochumer Jahrhunderthalle rollte Umbachs eigentümliches Singspiel auf einem schräg abfallenden Golfplatz vor der drohenden Ansicht des Festspielhauses (Bühne: Magdalena Gut) als Nummernrevue für und mit Wagnerianern ab. Ein veritabler Wagner-Sänger – Flimms Bayreuther „Wotan“ Alan Titus – tritt als lockerer amerikanischer Gesangslehrer mit Golfausrüstung auf und entert ziemlich ahnungslos die geweihten Stätten des Wagner-Gedenkens. Als naiver Klischee-Amerikaner mit dem blöden Namen Bill Applepie bietet er willkommenen Anlass für den Aufmarsch von allerlei Personal aus dem Kreis der Wagner‘schen Schlüsselfiguren. Die reden nun eifrig auf ihn ein und umgackern ihn, um sein unbedarftes Gemüt auf die wahre Lehre (welche eigentlich?) einzuschwören. Eine Handvoll Schauspieler schlüpft gruftig maskiert und skurril bekleidet (Kostüme: Tina Carstens) in zahlreiche Rollen und belebt nur schablonenhaft das Panoptikum der Untoten. Gattin Cosima, Ex-Frau Minna, die Geliebte Mathilde Wesendonck, Sohn Wieland zeigen sich, aber auch die bekennend faschistische Schwiegertochter Winifred darf sprechen, nebst ihrem Lieblingsgast Adolf Hitler, von dem nur ein Portrait in Öl zu schnarrendem Geschrei zu erleben ist. Der Hammer-Philosoph Friedrich Nietzsche muss einen langen, verschwurbelten Text aufsagen und ansonsten singt sich Alan Titus einmal quer durch des Meisters Werk. Best of Wagner. Titus kämpft sich ganz solide von „Alberich“ über den „Holländer“ und „Hans Sachs“ bis zum „Wotan“ durch und kann in den großen Hits baden. Komponist Eggert gibt indes im weißen Bademantel mit Fusselperücke Cosimas Vater Franz Liszt und steuert zur dünnbrüstigen Begleitung eigene Improvisationen bei.

Die nervös überdrehte Schauspielertruppe rettet die schwachen, wenig witzigen, kalauernden und dabei enorm schlau sein wollenden Texte nicht. Sinn und Dramaturgie des Abends bleiben schleierhaft. Ohne Wagner-Kenntnisse versteht man nichts und als Wagnerianer hat man schon weitaus geistreichere Verhohnepipelungen gesehen. Nur wenige Lacher aus dem Publikum begleiteten das Geschehen, der höfliche Applaus verebbte rasch. Ein verschenkter Abend.

19:30 Uhr, Jahrhunderthalle BochumInfos: 0700-20023456