LESERINNENBRIEFE
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Verfehlte Ehrenrettung

■ betr.: „Einfach nur anders“, taz vom 1./2. 3. 14

Die Ehrenrettung für das „andere“ Europaparlament in allen Ehren. Jedoch zeigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass es die Europawahl eben doch als zweitrangig einstuft. Denn wenn es wichtig wäre, gäbe es eine Hürde. Mag sein, dass so die aktuelle wahre Bedeutung des Europaparlaments deutlich gemacht wird und nicht eine imaginäre oder eine zukünftig eventuell denkbare.

In Deutschland wird die Abschaffung einer Wahlhürde zu Recht als befremdlich betrachtet. Denn ein Parlament mit vielen kleinen und kleinsten Parteien erfordert ein anderes politisches Verständnis. Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden lässt sich das gut beobachten. Ein Parlament ohne Hürde verschafft 11 Parteien Sitze, auch Partikularinteressen von Tierschützern, Senioren oder Fundamentalchristen sind vertreten. Entscheidend ist aber, dass sich im dortigen Parlament wechselnde Mehrheiten bilden und auch mal Koalitionspartner mit der Opposition stimmen können, ohne dass die Regierung darüber stürzt. OLIVER VARELMANN, Münster

Selbstherrliche Gerichtsbarkeit

■ betr.: „EU-Parlement für alle“, LeserInnenzentrum vom 1./2. 3. 14

In den Leserbriefen zum Thema „Urteil des Bundesverfassungsgerichts“ (der BRD wohlgemerkt!) wurde zwar nichts Falsches gesagt, aber: Es stecken doch zwei entscheidende Fehler (im Sinne von „fehlen“) in eurer Diskussion zu diesem Thema. Es sind dies:

1. Ihr stellt überhaupt nicht in Frage, dass ein Gerichtshof der BRD so tut, als sei er für die gesamte EU zuständig. Dies ist mitnichten ein Einzelfall, auch in der Rechtsprechung zum Euro, zum „Fiskalpakt“ usw. schwingen sich die BRD-Richter mit derselben Arroganz zu gesamteuropäischen Richtern auf. Dabei beträgt der Bevölkerungsanteil der BRD an der der EU noch nicht einmal 20 Prozent. Man stelle sich vor, der oberste Gerichtshof Bayerns oder von NRW würde sich herausnehmen, eine den Bundestag betreffende Frage derart selbstherrlich abschließend beurteilen zu wollen!

2. Von 750 Abgeordneten des im Mai neu zu wählenden Europa-Parlaments werden 96 aus der BRD stammen. Auch ohne landesbezogene Sperrklausel werden es da Parteien, die in dieser BRD weniger als 1 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichen, zu keinem Mandat bringen. In sieben weiteren Staaten wird es faktische Sperrklauseln zwischen 1,4 Prozent und 3,8 Prozent geben, in fünf weiteren Staaten wird diese Sperrklausel 4,8 Prozent betragen, in Schweden genau 5 Prozent und in den übrigen vierzehn Staaten zwischen 5,5 Prozent und sage und schreibe 16,7 Prozent, da aus vier Staaten nur jeweils sechs Abgeordnete entsandt werden. Und da soll eine explizite Sperrklausel in irgendeinem Land Einfluss auf irgendeine Arbeitsfähigkeit des Europa-Parlaments haben? ORTWIN ZEITLINGER, Berlin

Wem ist denn das eingefallen?

■ betr.: „Ein neues Haus für die taz“, taz vom 1./2. 3. 14

Wem ist das denn eingefallen: „Sofern mehr als 25 BewerberInnen die geforderten Nachweise und Auswahlkriterien erfüllen, erfolgt eine Auswahl durch Losziehung.“ Damit wird Bewerbern zugemutet, enorme Eigenleistung (und das ist die professionelle Ausarbeitung einer Wettbewerbsvorlage) für eine Lostrommel aufzubringen. Warum kann sich das Auswahlgremium nicht alle Bewerbungen ernsthaft ansehen, um dann die 25 besten in die Endrunde zu bringen? KLAUS JÜRGEN SCHMIDT, Balge-Dolldorf

Wo sind die Gegenpositionen?

■ betr.: „Sarrazins Medienecho“, Leserinnenvorwurf vom 1./2. 3. 14

Zum Glück (?) heißt 1,5 Millionen Mal verkauft bei einem Buch in Deutschland ja schon lange nicht mehr 1,5 Mal gelesen. Doch selbst wenn – wo sind die Gegenpositionen, die auch dem letzten Stammtischler deutlich machen, dass die Thesen Sarrazins unhaltbar sind wenn man denn das Hirn einschalten will? Die Mehrheit der Deutschen hat scheints immer noch Angst vor allem, was anders, fremd oder bunt ist und den Besitzstand gefährden könnte, solange es in den eigenen engen Landes- und Hirngrenzen liegt. Diesen Hebel bedient Sarrazin. Gefährlich wird es immer dann, wenn sich keiner traut, die Thesen als Polemik mit gleicher Sprache zu entlarven. So lange sind Hartz-IV-Empfänger alle arbeitsunwillig, Ausländer potenziell kriminell und Homosexuelle sowieso suspekt. Logisch. CHRISTINE STECKER, Hamburg

Die persönliche Lust zu rasen

■ betr.: „Ich bin gelegentlich schneller unterwegs“, taz vom 26. 2. 14

Es wäre schön, wenn sich Frau Hendricks (SPD) ihre Ehrlichkeit erhalten könnte, dann weiß man, woran man ist. Zugleich bin ich erstaunt, dass sie als Ministerin persönliche Vorlieben zum Maßstab für ihre politische Arbeit macht. Ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen wäre ein Beitrag zum Umweltschutz und schützt das Leben von zahlreichen Menschen. Die Zahl der Verkehrstoten auf Autobahnen ist im letzten Jahr um 8,1 Prozent gestiegen. Diese Argumente stehen auf der einen Seite, die persönliche Lust zu rasen auf der anderen. Von einer sozialdemokratischen Ministerin erwarte ich hier eine Prioritätensetzung zugunsten von Umweltschutz und Menschenleben, zumal sie damit den immer wieder erfolgten Beschlüssen ihrer Partei entsprechen würde. Ein Tempolimit ist in Deutschland nur in einer großen Koalition durchzusetzen. Ich erwarte, dass Frau Hendricks diese Chance mit Engagement nutzt. HEIKE BETHE, Ellerbeck