Die kleine Terrorheimwerkstatt

„Mischbrot, Yoghurt und Oliven“: Aus den Einkäufen der gescheiterten Attentäter vom 31. Juli lassen Hannes Malte Mahler und Degenhard Andrulat Kofferbomben werden – eine einmalige, zweistündige Performance im Neuen Museum Weserburg Bremen

Es war einmal der kleine Trolley. Ein praktischer Begleiter für die Reise – unbeachtet, weil er massenhaft in gleichförmiger Aufmachung durch die Welt gerollt wird. Aber seit dem 31. Juli, als in nordrhein-westfälischen Nahverkehrszügen zwei explosionsbereite Trolleys entdeckt wurden, wird das Köfferchen überall entdeckt und von bösen Gedanken zum Wortfeld „Kofferbombe“ beleidigt. Der Trolley als Auslöser für die Wahrnehmung einer unsichtbaren Wirklichkeit, der Verunsicherung durch diffuse Angst. Ihre Bedrohlichkeit wird noch politisch geschürt, wenn ein Minister Schäuble zu „mehr Wachsamkeit“ aufruft, man also jeden Trolley-Besitzer nach Terrorismus-Merkmalen abzusuchen habe.

Wie schnell Kunst auf diese „Gagaisierung der Realität“ reagieren kann, zeigt der Urheber dieser Formulierung, der hannoversche Kunst-Schelm Hannes Malte Mahler. In die aktuelle Aufgeregtheit hinein inszeniert er ein Tableau vivant als absurde Performance – und lädt mit dem Kollegen Degenhard Andrulat ins Neue Museum Weserburg Bremen zum Kofferbombenbau. Schnell werden die Gerhard-Richter-Bilder der aktuellen Ausstellung abgehängt, bevor Besuchermassen herbeiströmen wie lange nicht mehr. Neugierig, ob Kunst hier als Abbildung, Aufklärung, Provokation, Verkasperung der Realität sich ereignen wird – oder als politische Tat.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie man Bomben baut“, behauptet Mahler. Also legt er los – mit Opas Werkzeug und Omas Kochutensilien. Gebastelt wird nicht mit Propan-Gasflaschen, Benzin, Zündvorrichtungen und Batterien, den Originalzutaten der Original-Täter Jihad H. und Youssef M. Die Künstler haben stattdessen all das besorgt, was auf dem Einkaufszettel stand, den die Attentäter in einem der Bomben-Trolleys vergessen hatten: „Mischbrot, Yoghurt und Oliven“. Armes knautschig-deutsches Bauernbrot wird nun kiloweise zerschnippelt, mal mit Klebeband traktiert, mal in Metallrohre gequetscht, mal mit Jogurt bematscht. U-förmig gebogene Drähte werden hinein gepikst. In Küchenpapier gekleidet, kommen Oliven daher. Jogurt wird zu Minibomben in Tütchen verpackt. Alles kommt dann – inklusive Verpackungs und Elektrotechnik-Müll – in die bereit stehenden Koffer, wird mit Drähten durchzogen, mit Croûtons und Oliven garniert. Kunst ist halt immer auch eine kleine Sauerei.

Und langweilig. Wie das Publikum und auch eine extra aus Berlin zur Live-Rezension angereiste Monopol-Kritikerin bald unkt: Dem banalen Nebeneinander des Banalen fehle der zündende Funke. Stoisch arbeiten Mahler und Andrulat an ihren Kofferskulpturen, ungerührt von den immer distanzloser werden Zuschauern, die erst nur gucken, dann auch Oliven stibitzen. Und sich dabei auf das Was und Wie der theatralen Inszenierung konzentrieren, während es den Künstlern um das Warum geht. Darstellung der komisch-tragisch-klaustrophobischen Hobbykeller-Situation, Nachdenken über die Einsamkeit, den Autismus der Bombenbauer. Privatheit wird öffentlich gemacht. Was da im Geheimen rumort, verliert in der Performance etwas das Irritierende, Erschreckende. Der islamistische Todeskult wird herangeführt an unseren Alltag, an den Fanatismus der heimwerkelnden Nachbarn, die sich von ungebohrten Löchern vielleicht ähnlich bedroht fühlen wie die Bombenbastler.

Wie auch immer – die Koffer sind schließlich gut gefüllt, werden verschlossen und im Museum einfach liegen gelassen. Ende der Performance. Aber die Kunst gärt weiter. Die eingekofferte Matschepampe schimmelt gemütlich vor sich hin. Spätestens am 2. September, dem Verfallsdatum des Joghurts, könnte sie auch explodieren. JENS FISCHER