NEBENSACHEN AUS LATEINAMERIKA von Ralf LeonhardMOBIL TELEFONIEREN IN LATEINAMERIKA
: Schikanen bei SIM-Karten

Die Revolution der Kommunikationstechnologie hat das journalistische Arbeiten in Lateinamerika erleichtert. Wer noch in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts dort arbeiten musste, erinnert sich mit Grausen an öffentliche Telefone, die in den meisten Ländern bestenfalls eine Art Plastikschirm als Lärmschutz hatten. Der half wenig, denn die Apparate waren von den staatlichen Telecom-Gesellschaften zielsicher an den lautesten Straßenecken aufgestellt worden. In Ländern wie Nicaragua verschwanden sie bald aus dem Stadtbild, weil mit der Inflation das Münzgeld aus dem Verkehr gezogen wurde.

Terrestrische Linien waren teuer und die Installation mit langen Wartezeiten verbunden. In Bogotá begleitete in manchen Bezirken ein Dauerrauschen das Gespräch, was elektronische Übertragungen vom Computer unmöglich machte. Kein Wunder, dass die Mobiltelefonie gerade in Lateinamerika die schnellste Verbreitung fand.

Was sich noch nicht durchgesetzt hat, ist die Vereinheitlichung der Netzwerke und der lockere Umgang mit dem Konsumgut SIM-Karte. Verkäufern von Telefonen in Zentralamerika ist jedenfalls zu misstrauen, wenn sie versichern, dass ihre Geräte auch im Nachbarland verwendet werden können. Ein Handy aus El Salvador ist in Honduras oder Nicaragua unbrauchbar, selbst wenn man dort eine SIM-Karte derselben Telefongesellschaft erwirbt. Am Versuch, ein salvadorianisches Gerät in Nicaragua entsperren zu lassen, scheiterten auch die Experten auf dem Schwarzmarkt. Zum Trost verkauften sie mir einen gebrauchten Apparat, der sich als krasse Fehlinvestition erwies. Denn mit dem Abheben des Gesprächspartners setzte so heftiges Rauschen ein, dass jede Konversation unmöglich war.

Immerhin ist es in Zentralamerika leicht, ohne Vertrag eine SIM-Karte zu erwerben. Das Guthaben aufladen kann man im kleinsten Laden. Nicht so in Venezuela. Dort bekommt man einen Chip der größten Telefon-Gesellschaft Movistar nur gegen Vorlage eines nationalen Ausweises. Ein ausländischer Reisepass wird nur ausnahmsweise akzeptiert und die begehrte Karte nur gegen Hinterlassung der Fingerabdrücke ausgehändigt.

In Kolumbien verzichtet man auf die Fingerabdrücke, doch ohne Rücksprache mit dem Chef kann kein Verkäufer einem Ausländer eine Karte überlassen. Wer sich all diese Schikanen ersparen will, kann einfach ein Auto mieten. Viele Leihwagenketten bieten ein Handy als kostenlosen Zusatzservice an.