Goodbye Blond?

Aufgepasst, wenn Sat.1 ab morgen neue Folgen der Krimiserie „Eva Blond“ zeigt: Sie sind nicht nur sehenswert, sie könnten auch die letzten sein

Von Christian Buss

Der Todesstoß auf dem Papier: für einen zweitklassigen Seriendarsteller kommt er einem realen Mord gleich. Ken (Götz Otto), Hauptfigur der altmodischen Trashproduktion „Das Böse ist überall“, soll aufgrund sinkender Publikumsresonanz aus der Serie geschrieben werden. Doch statt seiner fällt auf dem Set der alte Produzent J.J. Epstein (Lambert Hamel) in jene Falle, in der eigentlich sein Serienheld filmreif verenden sollte. Epstein kommt nun allerdings ganz real zu Tode, aufgespießt auf spitzen Bambusstäben.

Kommissarin Blond (Corinna Harfouch) tut sich bei ihren Untersuchungen ein Jahrmarkt schäbiger Eitelkeiten auf. Denn im verstaubten Studio des toten Westentaschentycoons unweit von Berlin gehen Traum und Verzweiflung eine gefährliche Allianz ein: Die Serien im Stil alter B-Movies, die hier produziert werden, haben allenfalls in Uganda Erfolg. Niemand weiß so genau, wie der Produzent eigentlich den Laden am Laufen hielt.

Die marode kleine Traumfabrik – eigentlich ein schöner Stoff für den Autorenfilmer Achim von Borries. In seinem Berlinfilm „England!“ hielt er gekonnt die Balance zwischen Illusionismus und Pessimismus. In „Good bye, Lenin!“, dessen Drehbuch er mitentwickelt hat, wurde durch minimale Manipulation ein längst abgewickeltes System am Leben gehalten. Und sein unterschätztes Pubertätsdrama „Was nützt die Liebe in Gedanken“ ist eine formvollendete Studie über Sinnverlust und Autosuggestion.

Doch in dieser „Eva Blond“-Episode kann Borries dem drollig inszenierten Illusionismus keinen tieferen Sinn abgewinnen. Da wird zum Beispiel die interessante Geschichte des fiktiven jüdischen Tonfilmstudios in Ostdeutschland angerissen – von den Nazis enteignet, nach dem Krieg zurückgegeben, von den Kommunisten enteignet, nach der Wende zurückgegeben –, um sich danach in eine von allen historischen Referenzen befreite Scheinwelt zu begeben und sich ironisch durchs B-Movie-Kino zu zitieren. Das ist pittoresk, aber auch ziemlich platt.

So bleibt die höchst unregelmäßig auf Sendung geschickte Reihe „Eva Blond“, mit der Sat.1 bei der Kritik hohe Anerkennung erntete, aber beim Publikum im Vergleich zu dem zuvor laufenden „Bullen von Tölz“ nur bescheidene Quoten, ein echtes Risikounterfangen. Ob sie überhaupt weitergeführt wird, hängt auch vom Zuspruch der Zuschauer für die neuen Folgen ab.

Immerhin wird nächste Woche eine Episode ausgestrahlt, für die gleich ein weiterer Quertreiber des deutschen Films rekrutiert wurde: Matthias Glasner. Der sorgt zurzeit mit seinem Vergewaltigerdrama „Der freie Wille“ für Diskussionen. Während Glasner im Kino zuvor zuweilen mit artifiziellen Räuberpistolen wie „Fandango“ nervte, entwickelte er sich für seine Fernseharbeit über die letzten Jahre zum inspirierten Genre-Erzähler.

Mit dem am nächsten Mittwoch laufenden Krimi „Der sechste Sinn“, in dem die durch den Verlust ihres ungeborenen Kindes traumatisierte Ermittlerin von Visionen heimgesucht wird, ist ihm nun ein formvollendeter Gespensterthriller geglückt: Die parapsychologische Überhöhung des Falles wird klug mit der psychologischen Konditionierung der Figuren abstimmt. Ein Beweis für das enorme Potenzial der „Blond“-Krimis – und eine gespenstisch schöne Ausnahme in der Welt des deutschen Fernsehkrimis samt ihrer oft öden Realitäts-Surrogate. Schade, wenn das Format bald ganz ins Reich der Toten geschickt wird.

„Blond: Eva Blond! – Epsteins Erbe“, morgen, 22.15 Uhr, Sat.1 „Blond: Eva Blond! – Der sechste Sinn“, nächsten Mittwoch, 22.15 Uhr, Sat.1