Afghanistan: Ein Mandat für alle Fälle

Bisher wird die Bundeswehr in Nord-Afghanistan eingesetzt. Nun tauchten Spekulationen auf, der Einsatz werde ausgeweitet. Stellungnahmen der Bundesregierung schließen dies nicht völlig aus. Und: das Mandat der Truppe gilt fürs ganze Land

AUS BERLIN BETTINA GAUS

Für Verwirrung sorgte gestern eine Stellungnahme der Bundesregierung zu Spekulationen über eine mögliche Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr in den umkämpften Süden des Landes. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg erklärte in Berlin, eine Änderung des Mandats sei „für die Bundesregierung nicht vorstellbar und auch nicht beabsichtigt“. Deutschland werde „seine Aktivitäten zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan weiterhin auf den Norden konzentrieren“. In verschiedenen Meldungen von Nachrichtenagenturen war daraufhin zu lesen, die Regierung habe einen Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Süden Afghanistans ausgeschlossen. Diese Folgerung geht jedoch zu weit. Sie trifft nicht zu.

Eine Änderung des Mandats für die deutschen Soldaten in Afghanistan wäre gar nicht erforderlich, wenn einzelne Truppenteile in den Süden des Landes verlegt würden – der Bundestag hatte es bereits vor einem Jahr vor dem Hintergrund der damals anstehenden Wahlen aufs ganze Land erweitert, um eine flexiblere Reaktion auf eventuelle Ausschreitungen zu ermöglichen. Auch Steg sagte gestern, das Mandat räume der Bundeswehr theoretisch die Möglichkeit ein, Soldaten anderer Verbände im Süden zu Hilfe zu kommen. In diesem Falle müsse geprüft werden, „ob tatsächlich unabweisbarer Bedarf vorliegt“ und ob die Bundeswehr über entsprechende Fähigkeiten verfüge. Derzeit sei der Bundesregierung keine Anfrage bekannt, deutsche Soldaten künftig auch im Süden zu stationieren.

Angesichts des wachsenden Medieninteresses an der Frage meldete sich gestern auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung zu Wort. Er betonte ebenfalls, es sei abgesprochen, dass Deutschland für den Norden, die Italiener für den Westen, Briten und Kanadier für den Süden und die USA für den Osten Afghanistans verantwortlich seien. Es sei wichtig, dass die Bundeswehr weiter ihre Aufgabe im Norden erfülle, „weil wir hier ein Stück beispielhaft nach vorne gegangen sind mit der vernetzten Sicherheitspolitik“. Auch diese Äußerung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem unmissverständlichen Dementi einer möglichen Verlegung deutscher Soldaten in andere Regionen.

Für wie brisant die Bundesregierung die Situation in Afghanistan derzeit hält, geht aus ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten der Linkspartei im Parlament hervor, die von Anfang August stammt. Darin heißt es: „Die Sicherheitslage in Afghanistan wird seit der letzten Mandatsverlängerung durchgehend als nicht ruhig und nicht stabil beurteilt. Der Anstieg der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle in den letzten Monaten reflektiert die bisherige Zweiteilung des Landes in einen vergleichsweise ruhigeren Norden und Westen und einen deutlich unruhigeren Süden und Osten.“ Derzeit sieht die Bundesregierung „keine Anzeichen einer kurzfristigen Lageverbesserung“.

Diese Einschätzung ähnelt der von Bernhard Gertz, Chef des Bundeswehrverbandes, der gestern darauf hinwies, dass in anderen Teilen Afghanistans „ein ganz anderer Gefährdungsgrad“ vorherrsche als im Norden: „Das sind wirklich robuste Kampfeinsätze.“ Ob es zu solchen Einsätzen kommt, bleibt unklar. „Zeitlich und im Umfang begrenzte Unterstützungsmaßnahmen der Nato“ hat die Regierung in ihrer Antwort auf die parlamentarische Anfrage jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Das Mandat für Afghanistan läuft am 13. Oktober aus und wird voraussichtlich kurz zu- vor um ein Jahr verlängert werden. Derzeit sind in dem Land 2.700 deutsche Soldaten im Einsatz.