Lotto an der Tanke

VON CHRISTIAN RATH

Die Deutschen sollen künftig bequemer Lotto spielen und mehr Lotterie-Angebote nutzen können. Dies ist die Folge einer gestern veröffentlichten Entscheidung des Bundeskartellamts. In Zukunft sollen gewerbliche Firmen ein eigenes Netz an Lotto-Annahmestellen aufbauen dürfen. Außerdem sollen sich die 16 staatlichen Lotto-Gesellschaften mit ihren bisher nur leicht unterschiedlichen Angeboten künftig gegenseitig Konkurrenz machen.

Bisher war die Lotto-Welt wohlgeordnet. Die 16 Lottogesellschaften von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern waren im Deutschen Lotto- und Toto-Block zusammengeschlossen. Jede Gesellschaft bot ihr Angebot nur im eigenen Land an. Wer spielen wollte, ging zu einer der rund 26.000 Lotto-Annahmestellen und landete automatisch beim heimischen Lotto-Anbieter.

Für Unruhe sorgten nur einige gewerbliche Spielevermittler wie Faber, Tipp24 und Jaxx, die Lotto-Angebote auch per Internet, Postwerbung und Telefon-Callcenter anboten. Hiergegen versuchte der Lottoblock zwar bereits 1995 vorzugehen. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) gab Faber und Co. im Jahr 1999 Recht. Deren Marktanteil bei der Annahme von Lotto-Scheinen und Ähnlichem ist allerdings bisher über rund fünf Prozent nicht hinausgekommen. Dies soll sich nun ändern.

Auslöser des aktuellen Streits ist die Fluxx AG aus dem norddeutschen Altenholz. Unter dem Markennamen Jaxx und Anybet wollte sie in rund 2.000 Supermärkten und Tankstellen eigene Automaten aufstellen, an denen die Kunden dann ihre Lotto-Scheine ausfüllen, abgeben und bezahlen können. Doch die Lottogesellschaften machten diesem Plan einen Strich durch die Rechnung. Sie verabredeten, dass Spielscheine aus diesen Automaten nicht am staatlichen Lotto teilnehmen können.

Das Bundeskartellamt spricht von einem unzulässigen „Boykott“. Das Verhalten der Lottogesellschaften sei nach deutschem und europäischem Kartellrecht eine „wettbewerbsbeschränkende Absprache“ und auch ein „Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung“. Volker Böge, der Präsident des Bundeskartellamts, drückt es so aus: „Es ist nicht ersichtlich, warum Lotterien über Internet, Post oder Telefon angeboten werden dürfen, nicht aber über stationäre Automaten.“ Die Lotto-Gesellschaften wollen gegen die Entscheidung zwar klagen, aber Böge rechnet dennoch fest mit einem erneuten Erfolg beim BGH.

Eine zweite Auflage betrifft die Lotto-Gesellschaften selbst. Diese sollen sich künftig gegenseitig Konkurrenz machen dürfen. Die bisherige Gebietsabgrenzung hält das Kartellamt für eine „besonders schwerwiegende Wettbewerbseinschränkung“. Der Lottospieler in Rheinland-Pfalz soll demnächst auch bei Lotto Bremen seinen Tipp-Schein abgeben können, zumal die Internet-Annahme von Lottoscheinen in Rheinland-Pfalz fünfmal so teuer ist wie in Bremen, wo die Gebühr nur zehn Cent beträgt.

Das eigentliche Lotto-Angebot mit den Ziehungen am Mittwoch und am Samstag wird zwar bundesweit das gleiche bleiben, doch schon jetzt gibt es bei Nebenangeboten starke regionale Unterschiede. Das tägliche Zahlenlotte Keno fehlt im Angebot von Lotto Sachsen-Anhalt. Die Umweltlotterie Bingo ist nur in Norddeutschland verfügbar, und Brieflose gibt es nur in Bayern, Hamburg, Sachsen und Thüringen. Hier können die Gesellschaften künftig noch einiges erfinden und künftig bundesweit anbieten. Die Lotto-Welt bleibt zwar staatlich, wird aber viel bunter.

Als dritte Auflage verbietet Böge den Lotto-Gesellschaften schließlich noch die Aufteilung der von gewerblichen Anbietern hereingeholten Lotto-Einnahmen nach einem regionalen Proporz. Dies begrenze das Interesse der Lotto-Gesellschaften, mit den privaten Vermittlern möglichst günstige Verträge auszuhandeln.