Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Die inszenierten (Waren-)Welten unserer globalen Großstädte sind ja schon längst gefundenes Dekonstruktionsfressen für Theatermenschen. Im eigenen Welterklärungsauftrag haben sie sich längst über Shopping-Malls, Bahnhöfe und anderweitig öffentlich reglementierte und überwachte Räume gebeugt, um das darin wandelnde Individuum zu mahnen, sich als solches zu behaupten. Nun, nachdem im Sommer unsere diesbezügliche Wachsamkeit unter den hedonistischen Attacken grundsätzlicher Ferienbedürfnisse möglicherweise etwas gelitten hat, öffnet das HAU am Freitag seine Saison mit dem Projekt „Parallele Städte“, kuratiert von Lola Arias und Rimini-Protokollant Stefan Kaegi. Künstler wie Tim Etchels oder Mariano Pensotti bespielen öffentliche Orte wie eine Bibliothek oder einen Bahnhof, wo sich beispielsweise Schriftsteller mit der Fiktionalisierung der Wirklichkeit befassen. Ein anderes Thema, das unsere entfremdete westliche Welt immer wieder beschäftigt, sind Fragen der Nähe. Denn einsam fühlt sich der Massenmensch im Getümmel. „Bitte streicheln Sie hier!“ heißt eine Performance der Choreografin Hanna Hegenscheidt, die das Verhältnis von Nähe und Intimität am Donnerstag in den Uferstudios theatralisch beleuchten will. Existenziell wird es ab Freitag auch im Theater unterm Dach, wo sich die Regisseurin Agnes Hansch das Thema Geburt vorgenommen hat. „Queen Mom“ heißt ihre Performance. „Der Abend nach dem Begräbnis der besten Freundin“ heißt ein Stück der Dramatikerin Marleen Streeruwitz, mit dem am Sonntag das Autorentheater Berlin der Schauspielerin Klara Höfels im Kesselhaus der Kulturbrauerei den Betrieb aufnimmt, das sich der Förderung der Gegenwartsdramatik durch Gastspiele von Gegenwartsstücken, szenische Lesungen und eigene Produktionen verschrieben hat.
■ Parallele Städte: HAU, 17.–24. 9. www.hebbel-am-ufer.de
■ „Bitte streicheln Sie hier“: Uferstudios, Do.
■ „Queen Mom“: Theater unterm Dach, Fr., Sa.
■ „Der Abend nach dem Begräbnis …“: Kulturbrauerei, So., Mo.
