… DER NEU-„PRENZELBERGER“?
: Die Kirche in seinem Dorf lassen

Über Prenzlauer Berg wurden von den bemüht skandalisierenden Veranstaltungsmagazinen zuletzt vor allem zwei steile Thesen verbreitet. Erstens: Die Schwaben überrennen ihn. Zweitens: Die Zuzügler machen aus dem einstigen Hort des künstlerischen Atheismus eine neue Boomtown für die Kirchen und halten mit ihren christlichen Werten in Kitas und Schulen nicht hinterm Berg. Daraus ergibt sich das Bild: Der typische Zuzügler, der den „Pregnant Hill“ gentrifiziert, kommt aus Südwestdeutschland und lauschet dem Herrn.

Allerdings nur, wenn der nicht zu laut daherkommt. So musste die Immanuelkirche an der Prenzlauer Allee vor gut einer Woche ihre viertelstündlichen Glockenschläge mit Filz künstlich und merklich geräuschreduzieren. Grund waren, wie die Mitarbeiter der Kirchengemeinde am Tag des offenen Denkmals gern und mit Nachdruck berichteten, Lärmbeschwerden aus der Nachbarschaft. Wer anlässlich des Denkmaltages den Turm der Kirche bestieg, konnte auch sehen, woraus diese Nachbarschaft besteht: Die Dachstühle ringsum sind fast sämtlich mit luxuriös anmutenden Wohnungen ausgebaut, deren Bewohnerinnen sich gern in der Sonne rekeln. Da stört so ein Gebimmel natürlich nur.

„Mit den Zuzügen haben auch die Beschwerden zugenommen“, berichtete eines der Gemeindemitglieder und fügte hinzu: Wahrscheinlich seien die knapp 120 Jahre alten Kirchenglocken für die gesetzlich verordnete Nachtruhe tatsächlich ein paar Dezibel zu laut. Deswegen die Filzpantoffeln für die Klöppel.

Stellt sich die Frage, ob der „Schwabe“ beim Umzug nach „Prenzelberg“ die Kirche in seinem Dorf gelassen hat (was ja lobenswert wäre) und er nicht mehr viertelstündlich daran erinnert werden möchte. Andererseits: Wer füllt dann all die Kirchen im einstigen Szenebezirk? Zitty, übernehmen Sie (gibt auch ganz sicher wieder eine Titelgeschichte)! BIS Foto: Archiv