Kaum Spielraum für eine diplomatische Lösung

NAHOST US-Besuch von Netanjahu. Ausbau der Siedlungen im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Israels Siedlungspolitik führt zu Verstimmungen im Weißen Haus. Als „aggressiv“ brandmarkte US-Präsident Barack Obama den Siedlungsbau im besetzten Westjordanland in einem Interview, wenngleich er sich vor laufenden Kameras dem Gast gegenüber gnädiger gab. Obama lobte die „Anstrengungen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu während der sehr langen und mühsamen Verhandlungen“. Netanjahu betonte seinerseits die „präzedenzlosen Schritte“, die Israel unternommen habe, um den Frieden voranzutreiben, für die sich die Palästinenser „mit Selbstmordattentaten und Tausenden Raketen“ bedanken würden.

Die israelische Regierung weigert sich, den Siedlungsbau als Hindernis im Friedensprozess wahrzunehmen. „Wir bauen doch nur Häuser“, kommentierte Dani Dayan, ein Sprecher der Siedler, fassungslos über Obamas Kritik. Nach Informationen des israelischen Statistikamts, stieg 2013 die Zahl der Neubauten im Westjordanland um deutlich mehr das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr. Die über 2.500 Neubauten bilden den Rekord seit zehn Jahren, dabei gehen gut 1.000 der Bauprojekte auf unmittelbare Initiative der Regierung zurück. „Wenn in diesem Tempo weitergebaut wird, bleibt bald nichts mehr übrig, worüber es sich zu verhandeln lohnte“, kommentierte Jariv Oppenheimer, Sprecher der Friedensbewegung Peace Now im israelischen Fernsehen.

Allmählich scheint sich im Weißen Haus zunehmend Ungeduld zu verbreiten. Ende April sind die auf neun Monate angesetzte Verhandlungen am Limit angekommen. US-Außenminister John Kerry will noch vorab seinen Rahmenplan kundtun, den offenbar beide Seiten weitgehend ablehnen. In einem Treffen mit linken israelischen Politikern erklärte der palästinensische Präsident Mahmud Abbas diese Woche in Ramallah, dass er die Verhandlungen nach Ablauf der aktuellen Verhandlungsrunde nur fortsetzen werde, wenn Israel den Siedlungsbau einstellt und weitere Häftlinge aus den Gefängnissen entlässt. Weder das eine noch das andere wäre für Netanjahu, selbst wenn er wollte, mit seiner momentanen Koalition durchsetzbar.

Ein Reizwort in Kerrys Rahmenplan ist der Streit um die Anerkennung Israels als „jüdischer Staat“, auf der Netanjahu beharrt. Die Palästinenser lehnen dies entschieden ab. Nach Informationen der Ostjerusalemer Zeitung Al Quds drängen die USA die Palästinenser zu Kompromissen. Wer weiß, ob Obama nicht auch Abbas an die Kandare nehmen wird, meinte der amerikanische Journalist Jeffrey Goldberg im israelischen Fernsehen, wenn er in zwei Wochen nach Washington kommt. In einem anderen Interview Goldbergs warnt der US-Präsident Israel davor, die Gunst der Stunde zu versäumen. Abbas sei jemand, der sich der „Gewaltlosigkeit und diplomatischen Lösungen“ verschrieben habe.

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