Obskures Parteitreffen fällt aus

NORDKOREA Machthaber Kim Jong Il gibt Rätsel auf. Entgegen allen Erwartungen lässt er seinen Sohn noch nicht zu seinem Nachfolger erklären. Dafür gibt es Entspannungssignale zwischen Seoul und Pjöngjang

BERLIN taz | Ein ungewöhnliches Treffen von Delegierten der Koreanischen Arbeiterpartei, von dem eine Regelung der Nachfolge des derzeitigen nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Il erwartet wurde, hat offenbar nicht stattgefunden. Laut einem Bericht des gut unterrichteten südkoreanischen Senders YTN vom Montag wurde das Treffen, das schon vergangene Woche stattfinden sollte, verschoben.

Dies hatte am Sonntag bereits der Büroleiter der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, Walter Kilz, der Nachrichtenagentur dpa gesagt. Kilz hatte vergangene Woche zum wiederholten Mal Pjöngjang besucht. Bei der Ankunft habe es noch verschärfte Kontrollen gegeben, die auf das Treffen hingedeutet hätten. Doch ab Mittwoch sei wieder Normalität eingekehrt. Nordkoreas Staatsmedien hatten vor einer Woche gemeldet, die Delegierten seien bereits eingetroffen. Seitdem gab es keine Berichte mehr. Kilz erwartet das Treffen für Oktober.

Die Gründe für die Verschiebung des Treffens, von dem eine Art Proklamation von Kims drittem Sohn Kim Jong Un zum Nachfolger von Kim Jong Il erwartet wird, sind laut Kilz unklar. In Südkorea wird heftig spekuliert. Laut YTN sei die Gesundheit des 68-jährigen Kim Jong Il nach dessen jüngstem Chinabesuch zu angeschlagen, um das Treffen durchzuführen. Der zuckerkranke Kim soll vor zwei Jahren einen Schlaganfall erlitten und sich davon nie richtig erholt haben. Andere spekulierten, Kim sei auf Widerstände gestoßen und wolle das Treffen erst, wenn er sich des Ergebnisses sicher sein könne.

Die Verschiebung hinderte Nordkoreas Führung nicht, am Wochenende Südkorea Signale der Versöhnung zu schicken. So schlug Pjöngjang überraschend neue Familientreffen vor. Diese seltenen, sehr emotionalen und reglementierten Treffen sind die einzige Möglichkeit für Koreaner, Verwandte im jeweils anderen Landesteil zu sehen. Seoul begrüßte den Vorschlag sofort.

Südkorea zeigte sich gegenüber dem heruntergewirtschafteten Norden hart und reduzierte Hilfen und Handel. Seoul wirft dem Norden die Versenkung einer südkoreanischen Korvette vor. Dabei starben im März 46 Soldaten. Doch am Montag beschloss die Seouler Regierung, dem Norden Reis und Zement im Wert von 8,3 Millionen Dollar zu Linderung der Folgen einer Flut zu schenken. SVEN HANSEN