Eine Stadt wird zum Boudoir

Ganz Oldenburg rüstet sich für die Toulouse-Lautrec-Ausstellung, die im Oktober ins Horst-Janssen-Museum kommt. Schwarze Schmetterlings-Strumpfbänder sollen einen Hauch vom verruchten Pigalle an die Hunte bringen. Auch gekocht wird à la Lautrec

Ein schwarzer Schmetterling soll, wenn es nach dem Horst-Janssen-Museum geht, demnächst seine Flügel am Oberschenkel der kunstbeflissenen Oldenburgerin entfalten. Für schlappe 1,50 Euro wirbt das Strumpfband nicht nur für seine Trägerin, sondern auch für die im Oktober anstehende Toulouse-Lautrec-Ausstellung. Nach der Marketing-Schlappe mit der Schiele-Ausstellung, die 2004 nur 23.000 Besucher ins Horst-Janssen-Museum lockte, lassen die Oldenburger nichts unversucht. Man sieht das verschwörerische Augenzwinkern der Marketing-Strategen beinahe vor sich, wenn man gleich neben dem Spitzen-Schmetterling ein Zettelchen winken sieht: „Oldenburg – das hat was! Waschbar bei 40 Grad.“

Im Jahresrhythmus will das Horst-Janssen-Museum künftig mit einem großen Namen auf sich aufmerksam machen, der in einem losen Zusammenhang mit dem großen Sohn der Stadt steht. Janssen hat, obwohl er mit seiner Geburtsstadt nie viel anfangen konnte, Oldenburg posthum einen Kunsttempel beschert, der sich durch eine bestechende Architektur und solide Ausstellungen auszeichnet – und dadurch, dass man an der Kasse nie lange warten muss.

Egon Schiele, dem der Ruf des Pornografen vorauseilt, erwies sich 2004 als denkbar ungeeignet als Publikumsmagnet. Henri de Toulouse- Lautrec, immerhin auch kein Kind von Traurigkeit, sei da viel unkomplizierter, sagt die wissenschaftliche Leiterin des Hauses, Jutta Moster-Hoos. Ein Schelm, wem bei Gemeinsamkeiten zwischen Janssen und Toulouse-Lautrec zuerst die Sinnsuche auf dem Grund der Flasche einfällt. Moster-Hoos nennt hier die zeichnerischen Arbeiten auf Papier und vor allem die – nicht nur für Janssen – wegweisenden Plakatentwürfe Toulouse-Lautrecs. Der Franzose erhob das Werbeplakat gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Kunstgattung und schuf die ersten „Star-Porträts“ von Diven und Diseusen. In der Ausstellung werden rund 30 Plakate sowie zwei Mappenwerke Toulouse-Lautrecs zu sehen sein.

Nicht nur das Museum, so planen die Marketing-Strategen, sondern die ganze Innenstadt soll sich in ein Boudoir verwandeln: überall roter Samt und schwarze Seide. Die Museumsleiterin persönlich wird beim Kramermarktsumzug, der Bier-und Bratwurstattraktion des Oldenburger Herbstes, das Niveau in die Höhe reißen und Toulouse-Lautrec-Schokotäfelchen vom Themenwagen herab in die Menge werfen.

Der Grafiker war zur Freude der Stadtvermarkter auch ein begnadeter Hobbykoch, der zwei Kochbücher hinterließ. Seine Jünger bereiten nun Wild und Wachteleier für kunstsinnige Gourmets zu. Eine lokale Bäckerei hat ihr Croissant-Rezept auf des Meisters Anraten von protestantisch-asketisch auf fetttriefend umgestellt. Aber was soll man nun genau mit den Strumpfbändern tun? Ein Großkunde habe sich schon gefunden, der auf einer Feier je ein Exemplar an die weiblichen Gäste verteilen will, frohlocken die Stadtvermarkter. Wer es auf der Ebene der Andeutung belassen will, kann damit aber auch ein dickes Paket von Kunstbänden verschnüren.ANNEDORE BEELTE

Vom 6. Oktober bis 10. Dezember im Horst-Janssen-Museum, Oldenburg